Kindertotenlied: Thriller (German Edition)
Holländer, der sich zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort aufhielt. Aber ich will, dass Vincent und Samira etwas anderes tun. “
Seine beiden Mitarbeiter sahen ihn fragend an.
„Ich stimme jedenfalls in einem Punkt zu: Anscheinend ist Hirtmann auf mich fixiert. Wenn er es ist, ist er jedenfalls bestens informiert. Und er ist immer ganz in unserer Nähe. Im Übrigen waren seine Opfer immer junge Frauen. Ich will, dass sich Vincent und Samira um den Schutz von Margot in der Khâgne von Marsac kümmern. Wenn mich der Schweizer auf die eine oder andere Weise persönlich treffen will, dann weiß er, dass da mein Schwachpunkt ist – wo er mir am meisten wehtun kann.“
Auf Stehlins Stirn standen jetzt noch mehr Falten. Er wirkte äußerst besorgt. Er richtete seinen Blick auf seine Mitarbeiter. Samira nickte.
„Kein Problem“, antwortete sie. „Martin hat recht: Wenn es dieser Irre auf ihn abgesehen hat und wenn er so gut unterrichtet ist, wie es aussieht, können wir nicht das Risiko eingehen, ihm Margot schutzlos auszusetzen.“
„Einverstanden“, erklärte Espérandieu überzeugt.
„Noch etwas?“, fragte Stehlin.
„Ja. Wenn mir Hartmann immer dicht auf den Fersen ist, gibt es vielleicht die Möglichkeit, ihn diesmal zu erwischen. Pujol könnte mich beschatten. Auf große Entfernung, mit einem Kollegen. Eine Observation auf Distanz und vor allem so diskret wie möglich. Kein oder sehr wenig Sichtkontakt. Eine GPS-Überwachung, ein Transponder. Wenn mich Hirtmann wirklich im Auge behalten will, dann muss er sich zeigen, ein Risiko eingehen, wenigstens ein ganz kleines. Und dann sind wir da, wenn er es tut.“
„Eine interessante Idee … Und was passiert, wenn er aus der Deckung kommt?“
„Wir greifen zu.“
„Ohne Unterstützung? Ohne Sondereinsatzkommando?“
„Hirtmann ist weder ein Terrorist noch ein Gangster. Auf eine derartige Konfrontation ist er nicht vorbereitet. Er wird keinen Widerstand leisten.“
„Das sehe ich anders: Er scheint ein überaus findiger Kopf zu sein“, widersprach Stehlin.
„Im Moment wissen wir nicht einmal, ob dieser Plan überhaupt funktionieren kann. Das werden wir später sehen.“
„Schön. Aber ich will informiert werden, sobald sich etwas tut, und ihr teilt mir alles mit, was ihr wisst, verstanden?“
„Ich bin noch nicht fertig“, sagte Servaz.
„Was gibt´s denn noch?“
„Wir müssen den Richter anrufen, ich brauche eine richterliche Vernehmungsverfügung. Für eine Insassin der JVA Seysses.“
Stehlin nickte. Er hatte verstanden. Er wandte sich um und griff nach einer Zeitung, die er vor Servaz hinwarf.
„Das hat nicht geklappt. Diesmal gab es keine undichte Stelle.“
Servaz sah Stehlin an. Hatte er sich womöglich geirrt? Entweder der Journalist hatte die Information nicht als hinlänglich wichtig angesehen, oder es war nicht Pujol, der die Informationen an die Presse weitergab.
Blass war der Himmel hinter den Fenstern des Klassenzimmers. Alles war verdammt reglos. Eine weiße Glut, die wie ein durchsichtiger Film über der Landschaft lag. Kurze, harte Schatten unter den Eichen, Linden und Pappeln, die wie erstarrt waren. Nur der weißliche Kondensationsfaden eines Düsenflugzeugs und einige Vögel brachten ein wenig Bewegung in das Tableau. Selbst die Abiturienten, die auf dem Rugby-Platz trainierten, schienen unter der Hitze zu leiden, und das Spiel lief wie in Zeitlupe ab, genauso lustlos und uninspiriert wie das der französischen Fußballnationalmannschaft.
Der Sommer war da, und als sie durch das Fenster sah, fragte sie sich, ob es so bleiben würde. Dem Geschichtsunterricht folgte sie nur mit einem Ohr, und die Worte glitten an ihr ab wie Wassertropfen an einer Plastik plane. Ihr Kopf glühte, und sie dachte an die handgeschriebene Notiz, die sie vor einer Stunde, mit Klebeband befestigt, an ihrem Schließfach gefunden hatte. Beim Lesen war sie vor Scham und Wut rot angelaufen, dann hatte sie den Blicken um sich herum entnommen, dass alle bereits im Bilde waren. Die Notiz lautete:
Hugo ist unschuldig. Dein Vater sollte aufpassen. Und du auch. Du bist hier nicht länger willkommen, dreckige Hure.
Ihre Taktik begann sich auszuzahlen …
25
Kreise
Meredith Jacobsen erwartete den Air-France-Flug aus Toulouse in der Ankunftshalle von Orly-West. Das Flugzeug sollte an diesem Dienstag planmäßig um 13:05 Uhr landen. Es hatte zehn Minuten Verspätung, sie wusste auch, warum: Der Abflug war hinausgezögert
Weitere Kostenlose Bücher