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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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den Schultern.
    „Nein, nicht dass ich wüsste.“
    „Streng dich an, es steht für dich viel auf dem Spiel!“
    Servaz hatte lauter gesprochen. Hugo sah ihn erstaunt an. Draußen hallte ein weiterer Donnerschlag.
    „ Die Musik …“
    Servaz musterte ihn.
    „Wie, die Musik?“
    „Ich weiß, es hört sich idiotisch an, aber Sie haben mich gefragt …“
    „Ich weiß, was ich dich gefragt habe. Und? Was ist das mit der Musik?“
    „Als ich wieder zu mir gekommen bin, kam Musik aus der Stereoanlage …“
    „Ist das alles? Was war so ungewöhnlich daran?“
    „Tja …“ Hugo dachte nach. „Claire hat durchaus manchmal Musik aufgelegt, wenn ich da war, aber … niemals solche Musik …“
    „Was für Musik war es denn?“
    „Klassische …“
    Servaz sah ihn an. Klassische … Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rücken.
    „Die hörte sie normalerweise nicht?“
    Hugo bestätigte das mit einem Kopfschütteln.
    „Bist du dir sicher?“
    „Ja, soweit ich weiß … Sie hörte Jazz oder Rock. Auch Hiphop. Aber ich erinnere mich nicht, vor diesem Abend jemals klassische Musik bei ihr gehört zu haben. Als ich wieder zu mir kam, erschien mir das sofort … merkwürdig . Diese düstere Musik, die offen stehenden Türen und niemand, der antwortete. Das sah ihr wirklich nicht ähnlich.“
    Servaz spürte, wie eine unbestimmte Beklommenheit in ihm aufstieg. Irgendetwas Vages, Diffuses.
    „Sonst noch etwas?“
    „Nein.“
    Klassische Musik … Ihm war ein Gedanke gekommen, aber er vertrieb ihn, so absurd kam er ihm vor.
     
    Als er in das Haus von Claire Diemar zurückkam, ging es dort noch immer drunter und drüber. In dem Gässchen reihten sich Polizeifahrzeuge dicht an dicht, und trotz der späten – beziehungsweise je nach Standpunkt frühen – Stunde schwirrten mittlerweile auch die Vertreter der Medien mit ihren Mikrophonen, ihren Kameras und ihrer professionellen Geschäftigkeit am Tatort herum. Ein Van mit einer aufs Dach montierten Parabolantenne ließ vermuten, dass die Fernsehnachrichten am nächsten Tag nicht nur Kommentare zu dem Fußballspiel bringen würden. Allerdings war Servaz überzeugt davon, dass der Mord an der Lehrerin für Altphilologie weit hinter den Meldungen über die erbärmliche Vorstellung der Nationalmannschaft firmieren würde.
    Er schlug den Kragen seiner abgewetzten Jacke hoch und ging mit zügigen Schritten über die rutschigen Pflastersteine, wobei er die Augen mit der Hand gegen das Blitzlichtgewitter abschirmte.
    Im Haus ließen die Absperrbänder der Kriminaltechniker nur einen schmalen Durchgang von der Eingangstür zu den Terrassentüren. Da stand die Stereoanlage, aber die Erkennungsdienstler waren gerade dabei, sie mit ihren Pinseln und Pulvern zu bearbeiten. Er beschloss, in der Zwischenzeit noch einmal den Garten in Augenschein zu nehmen. Die Puppen waren verschwunden. Techniker steckten nummerierte Spurentafeln ins Gras, zwischen die Bäume an jedes mögliche Indiz. Das Poolhaus stand offen und war hell erleuchtet. Servaz näherte sich. Im Innern hockten zwei Techniker in weißen Overalls. Er sah ein Spülbecken, zusammengeklappte Liegestühle, Kescher, Spiele und Kanister mit Chemikalien für den Swimmingpool.
    „Haben Sie etwas gefunden?“
    Einer von ihnen warf ihm durch eine dicke orangefarbene Brille einen seltsam vergrößerten Blick zu und schüttelte den Kopf.
    Servaz ging um das Becken herum. Langsam. Dann überquerte er den nassen Rasen Richtung Wald. Der Waldsaum glich einer kompakten grünen Mauer, an deren Fuß der Rasen jäh aufhörte. Einen Zaun gab es nicht, aber die Vegetation war so dicht, dass sie eine natürliche Grenze bildete. Dennoch entdeckte er zwei sehr kleine Lücken in dem Strauchwerk, auf die er zuging. Es war darin schwarz wie in einem Backofen, und der Regen klatschte laut auf die Blätter über ihm, ohne ihn jedoch zu erreichen. Der erste Durchgang endete schon nach wenigen Metern. Er kehrte um, trat wieder ins Freie und versuchte es mit der zweiten Bresche. Dieser Durchgang schien weiter zu führen. Er war kaum mehr als eine schmale, unscheinbare Schlippe zwischen den Stämmen und dem Dickicht, und Servaz verrenkte sich, um hindurchzuschlüpfen, aber die enge Passage drang immer weiter in die Finsternis vor wie eine Silberader ins Quarzgestein. Das Blätterdach hielt den Regen fast vollständig ab, und Servaz‘ Taschenlampe drückte die Zweige beiseite, die ihn scheinbar festhalten wollten. Er stapfte über eine dicke Schicht

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