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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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aus Laub und dürrem Reisig und musste genau hinsehen, wohin er seine Füße setzte. Gut zehn Meter tief stieß er vor, ohne dass der Durchschlupf breiter wurde, und kehrte schließlich um; er würde bei Tageslicht noch einmal kommen. Kurz vor dem Ausgang erahnte er in der fast vollständigen Finsternis etwas Weißes auf dem Boden und er richtete die Taschenlampe darauf.
    Ein Haufen kleine helle Zylinder – auf der dunklen Erde und dem Laub.
    Zigaretten …
    Er bückte sich. Kippen. Ein gutes halbes Dutzend.
    Jemand hatte sich geraume Zeit hier aufgehalten und geraucht. Servaz hob den Kopf. Von da, wo er stand, sah er deutlich den Teil des Hauses, der auf den Garten ging: Die Fenstertüren und auch das von den Scheinwerfern des Erkennungsdienstes beleuchtete Wohnzimmer. Hinter den Vorhängen eines Fensters im ersten Stock sah man vage die Möbel eines Schlafzimmers. Ein idealer Beobachtungspunkt …
    Er spürte, wie sich der Flaum in seinem Nacken aufrichtete. Die Person, die hier gewesen war, kannte sich gut aus. Er versuchte sich einzureden, dass es bestimmt ein Gärtner war. Oder auch Claire Diemar selbst. Aber das konnte nicht sein. Wer hier zwischen diesen Sträuchern ausharrte und eine Zigarette nach der anderen rauchte, konnte das einzig und allein aus einem Grund tun: um die junge Frau auszuspionieren.
    Servaz dachte nach. Hugo hatte sich dem Haus von der Vorderseite genähert und seinen Wagen in der Straße abgestellt. Wieso hätte er Claire heimlich aus dem Dickicht beobachten sollen? Er hatte zugegeben, mehrfach hier gewesen zu sein. Hatte er außerdem noch bei anderen Gelegenheiten den Voyeur gegeben?
    Plötzlich überkam ihn das unangenehme Gefühl, einem Taschenspielertrick zu erliegen: Der Gaukler lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Seite, während sich das Wesentliche auf der anderen abspielt. Eine Hand im Licht für die Zuschauer, während die andere in der Dunkelheit zugange ist. Irgendjemand wollte sie dazu zwingen, sich auf die falsche Seite zu konzentrieren … Er hatte die Bühne hergerichtet, die Bühnendekoration und die Schauspieler ausgewählt – und vielleicht sogar die Zuschauer … Er glaubte einen verborgenen Schatten zu erahnen, der, von allen unbemerkt, in den Kulissen herumschlich, und da war sie plötzlich wieder, die Angst.
    Mit gerunzelter Stirn kehrte Servaz ins Haus zurück, ohne den Regen weiter zu beachten. Auf dem Läufer in der Diele wischte er sich die nassen Sohlen trocken. Im Wohnzimmer waren die Techniker mit der Stereoanlage fertig.
    „Wollen Sie mal sehen?“, fragte einer und hielt ihm Latexhandschuhe, Einwegüberschuhe und eine dieser lächerlichen Plastikhauben hin, die alle Kripo-Beamten aussehen ließen wie Kundinnen von Damensalons.
    Servaz streifte sie über, dann hob er das Absperrband an.
    „Etwas ist merkwürdig“, sagte der Techniker.
    Servaz sah ihn an.
    „Wir haben das Handy des Jungen in seiner Tasche gefunden. Aber keine Spur vom Handy des Opfers. Dabei haben wir wirklich alles auf den Kopf gestellt.“
    Servaz schrieb das in sein Notizbuch heraus. Das Wort „Handy“ unterstrich er zweimal. Er erinnerte sich daran, dass das Opfer achtzehn Mal von Hugos Handy aus angerufen worden war. Warum sollte er das Handy von Claire Diemar, nicht aber sein eigenes verschwinden lassen?
    „Und da drauf habt ihr nichts gefunden?“, sagte er und deutete mit dem Kinn auf die Stereoanlage.
    Der Techniker zuckte mit den Achseln.
    „Nichts Besonderes. Fingerabdrücke auf dem Gerät und den CDs, aber die stammen vom Opfer.“
    „Keine CD?“
    Der Techniker sah ihn verständnislos an. Ganz offensichtlich fragte er sich, wozu er das wissen wollte. Auf einem Möbelstück lag ein kleiner Haufen mit durchsichtigen Zipbeuteln, die darauf warteten, ins Labor gebracht zu werden. Der Mann nahm einen davon und hielt ihn Servaz wortlos hin. Servaz nahm ihn.
    Betrachtete die CD-Hülle.
    Erkannte sie.
    Gustav Mahler …
    Die Kindertotenlieder . Die Version von 1963, mit Dietrich Fischer-Dieskau unter der Leitung von Karl Böhm. Servaz hatte genau die gleiche in seiner Schallplattensammlung.

9
     
    Weiß
    Hugo hatte von der Musik gesprochen. Welche es genau war, hatte er nicht gesagt. Diese Musik rief Erinnerungen an den Fall wach, der Servaz im Winter 2008-2009 in Atem gehalten hatte. Schnee, Wind, Weiß. Vor allem das Weiß, draußen wie drinnen. Im Orient war Weiß die Farbe von Tod und Trauer. Es war auch die Farbe der Übergangsriten. Auch dieser Tag im Dezember 2008 war

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