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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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verwirklichen. Dass sie zu den Frauen gehört, die anderen niemals etwas geben, sondern ihnen, im Gegenteil, ihre Kraft rauben, um sie sich selbst anzueignen. Sie hat mir das Versprechen abgenommen, im Falle ihres Todes nicht wegen … wegen ihr … auf meine Zukunft zu verzichten …“
    „Wie hat sie von Ihrem Verhältnis erfahren?“
    Er sah, wie sich das Gesicht des Mannes verfinsterte.
    „Sie hatte etwas bemerkt, ihre eigenen kleinen Nachforschungen angestellt. Meine Frau war Journalistin. Sie hat einen guten Riecher, und sie kennt die gesellschaftlichen Kreise. Sagen wir, sie wollte der Sache auf den Grund gehen, ohne mehr als nötig in Erfahrung zu bringen.“
    „Rauchen Sie?“
    Lacaze zog eine Augenbraue hoch.
    „Ja.“
    „Welche Marke?“
    Der Abgeordnete warf ihm einen verdutzten Blick zu, antwortete aber trotzdem.
    „Haben Sie Claire auch mal in ihrem Haus besucht?“
    „Ja, selbstverständlich.“
    „Haben Sie nicht befürchtet, gesehen zu werden?“
    Er sah, wie der Politiker mit sich rang, ehe er fortfuhr:
    „Es gibt einen schmalen Pfad … durch den Wald, der in ihrem Garten endet …“ Servaz zeigte keine Reaktion. „Das andere Ende dieses Pfades ist ein kleiner Rastplatz an einer Straße im Wald. Wenn man nicht weiß, dass dieser Durchgang existiert, sieht man ihn nicht … Ich habe immer dort geparkt und die Strecke dann zu Fuß zurückgelegt. Ungefähr zweihundert Meter. Die einzigen, die mich hätten sehen können, waren die Nachbarn gegenüber: ihre Fenster gehen auf Claires Garten. Aber dieses Risiko bin ich eingegangen. Und ich hatte immer eine Kapuze an.“ Er lächelte. „Das hat uns belastet, aber ehrlich gesagt war es auch aufregend. Wir fühlten uns wie zwei Verschwörer. Jugendliche Ausreißer. Sie kennen doch das Syndrom: ‚Wir beide gegen den Rest der Welt‘.“
    Seine Stimme war zum Schluss leicht gebrochen: Die schönsten Erinnerungen konnten unter bestimmten Umständen zu einem schwer zu tragenden Kreuz werden, sagte sich Servaz. Er dachte an den Waldpfad. Hätte Lacaze ihm davon erzählt, wenn er der rauchende Mann wäre, der Claire aus dem Dickicht heimlich beobachtete? Hatte er ihr nachspioniert und herausgefunden, dass sie regelmäßig mit einem anderen Mann zusammenkam? Hugo? Und die Kapuze? War er der, den er auf dem Video gesehen hatte? Die Gestalt war ihm größer und schlanker vorgekommen, aber vielleicht täuschte er sich. Wieso hatte Lacaze dieses Detail überhaupt erwähnt? Wollte er ihm unbewusst zu verstehen geben, dass er niemals als Täter zu überführen wäre?
    „Gut, haben Sie sonst noch Fragen?“
    „Im Moment nicht.“
    „Sehr gut. Ich sagte; ich werde mein Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen. Aber … andererseits … sind Sie sich doch meiner Position sicherlich auch bewusst. “
    Lacaze hatte sich sichtlich wieder gefasst. Servaz sah ihn gewollt verständnislos an.
    „Meine Stellung als öffentliche Person“, erklärte der Politiker verärgert. „Die politische Klasse in diesem Land liegt im Sterben. Wir trauen uns selbst nichts mehr zu, wir teilen die Macht schon so lange unter uns auf, dass wir nicht mehr die leiseste neue Idee haben, nicht mehr die geringste Chance, irgendetwas zu verändern. Commandant, ich nehme keine Blatt vor den Mund: Ich bin einer der Shootingstars meiner Partei. Ich glaube an meine Berufung. Wenn unser Präsident in zwei Jahren die Wahlen verliert – denn er wird sie verlieren, das steht fest -, werde ich die Parteiführung übernehmen – und 2017 werde ich in der ersten Reihe stehen. Wenn dann die Linke für ihre politische Bilanz zur Rechenschaft gezogen wird. Wenn Europa es in wie im Rest der Welt zu Revolten und Volkserhebungen kommt. Leuten wie mir gehört die Zukunft. Begreifen Sie, was auf dem Spiel steht? Das geht weit über Ihre Ermittlungen, Claire Diemars Tod oder mein Eheglück hinaus.“
    Servaz war fassungslos: Dieser Mann war vom Ehrgeiz zerfressen.
    „Und was folgt daraus?“
    „Daraus folgt, dass ich mir nicht den kleinsten Makel auf meiner Weste leisten kann, den Hauch eines Verdachts, verstehen Sie? Denn genau das wollen die Menschen: unverbrauchte Köpfe von tadellosem Ruf. Erhaben über jeden Verdacht der Korruption, unbelastet von alten Mauscheleien, in keiner Weise in irgendwelche Affären verstrickt. Sie müssen in absoluter Diskretion ermitten. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es, sobald mein Name auftaucht – selbst wenn ich unschuldig bin -, immer jemanden geben wird, der

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