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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Technologieunternehmen, die eng mit den Instituten der naturwissenschaftlichen Fakultät und mit den großen Industriekonzernen zusammenarbeiteten, die sich am Stadtrand von Toulouse angesiedelt hatten. Marsac, eine Art schicker Vorort für die Elite der Region, wo man fern der Turbulenzen der Großstadt unter sich blieb.
    Er hatte den Motor abgestellt. Vom Auto aus betrachtete er das beleuchtete Gebäude durch die zögerliche Juni-Dämmerung. Dabei war es bald Mitternacht! Horizontale Linien, ein Flachdach, große, rechtwinkling aufeinandertreffende Glasflächen an einer erhöhten Terrasse. Die Zimmer - eine ultramoderne amerikanische Küche, Wohnzimmer, schmale Gänge - waren trotz der Lamellenrollläden vollkommen einsehbar. Unwillkürlich dachte man an Mies Van der Rohe. Paul Lacaze, der Shootingstar der Rechten, ließ sich also selbst bei der architektonischen Gestaltung seines Domizils von seinem Status als öffentliche Person leiten. Servaz öffnete die Wagentür und stieg aus. Durch eines der Fenster beobachtete ihn jemand. Eine Frau … Er sah, wie sie den Kopf drehte und mit jemandem sprach.
    Plötzlich summte sein Telefon.
    „Wie geht´s dir, Martin? Was ist passiert?“
    Marianne … Er suchte nach der Frau hinter dem großen Glasfenster. Sie war verschwunden. An ihre Stelle war eine männliche Gestalt getreten.
    „Ganz gut. Wer hat dich verständigt?“
    „Der Direktor der Bank ist ein Freund …“ Natürlich , dachte er. Marianne selbst hatte ihm gesagt, dass sie hier alle kannte. „Hör zu …“ Er hörte, wie sie seufzte. „Es tut mir leid wegen gestern Abend … ich weiß, dass du dein Möglichstes tust, ich … ich möchte mich entschuldigen.“
    „Ich muss jetzt Schluss machen“, sagte er. „Ich ruf dich an.“
    Er konzentrierte sich wieder auf das Haus. Eine der Glastüren war aufgeschoben worden, und die Gestalt stand mittlerweile auf der Terrasse, durch das betonierte Flachdach vor dem Regenguss geschützt.
    „Wer sind Sie?“
    „Commandant Servaz, Kriminalpolizei“, stieß er hervor, während er seine Dienstmarke zückte und die Stufen hinaufging. „Paul Lacaze?“
    Lacaze lächelte ihn an.
    „Was glauben Sie denn? Sehen Sie nie fern, Commandant?“
    „Kaum. Aber ich habe Sie gerade im Radio gehört … Sehr interessant.“
    „Was führt Sie zu mir?“
    Servaz stellte sich unter und musterte ihn. Vierzig Jahre. Mittelgroß, stämmig, sportlich. Lacaze trug einen Jogginganzug mit Kapuze, der ihn ein wenig wie ein Boxer nach dem Training aussehen ließ. Und genau das war er. Ein Puncher. Ein Kämpfer. Ein Typ, der lieber zuschlug, als auszuweichen. Der Jogginganzug war nicht vom Video der Überwachungskamera, aber das hieß gar nichts.
    „Können Sie sich das nicht denken?“
    Der Blick wurde weniger zuvorkommend.
    „Claire Diemar“, sagte Servaz.
    Einen Moment lang verharrte der Abgeordnete vollkommen reglos.
    „Schatz, was gibt´s denn?“, sagte eine Frauenstimme hinter ihm.
    „Nichts. Der Herr ist von der Polizei. Er ermittelt in diesem Mordfall. Und da ich Abgeordneter und Bürgermeister dieser Stadt bin …“
    Lacaze warf ihm einen durchdringenden Blick zu. Servaz sah, wie die Frau aus der Glastür trat. Sie hatte einen Schal um den Kopf geschlungen und trug darunter eine gelockte Perücke. Dort, wo sich normalerweise die Brauen befanden, verliefen zwei breite schwarze Striche, und selbst in diesem dunkelgrauen Dämmerlicht sah sie schlecht aus. Trotzdem war sie immer noch attraktiv. Sie streckte ihm die Hand hin, Servaz nahm sie. Die Hand wog federleicht; sie war kraftlos und schlaff.
    Er las in ihren Augen, dass die dunkle Macht des Krebses an Boden gewann, und plötzlich hätte er sich am liebsten entschuldigt und wäre gegangen.
    „Das ist eine furchtbare Geschichte“, sagte sie. „Diese arme Frau …“
    „Es dauert nicht lange“, entschuldigte er sich. „Eine reine Formalität.“
    Sie sah ihren Mann an.
    „Wollen wir nicht in mein Büro gehen, Commandant?“
    Servaz nickte. Lacaze zeigte auf den Boden. Servaz entdeckte einen Fußabtreter. Folgsam trat er sich die Füße ab. Dann durchquerten sie das Wohnzimmer, wo auf einem großen Flachbildfernseher ohne Ton ein untertitelter Schwarzweißfilm lief. Auf dem Couchtisch sah Servaz zwei halb mit Whiskey gefüllte Gläser, und eine Flasche auf der Bar. Ein von Halogenstrahlern beleuchteter Gang. Eine völlig kahle Wand, und auf der anderen Seite nichts als die Dunkelheit hinter der Scheibe. Lacaze öffnete

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