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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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Rings.
    „Tut mir leid.“
    Winzige Schweißtropfen perlten dem kreidebleichen Abgeordneten von der Stirn.
    „Ja“, antwortete Servaz leise auf die Frage. „Es stimmt.“
    Servaz sah, wie der Politiker den Kopf senkte, bis er mit der Stirn fast die Schreibunterlage berührte. Die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, verschränkte er die Hände hinter dem Hinterkopf.
    „Claire … Oh, verdammt, Claire … Claire … Claire …”
    Lacazes Stimme war nur noch ein einziges langes Lamento. Servaz konnte es nicht fassen. Entweder war dieser Typ total verrückt auf diese Frau gewesen, oder er war der beste Schauspieler der Welt. Es schien ihm völlig gleichgültig zu sein, dass ihn jemand in diesem Zustand sah.
    Dann richtete er sich auf. Und Servaz sah, wie ihn die roten Augen durchbohrten. Selten hatte er jemanden gesehen, der so erschüttert war.
    „Ist der Junge der Täter?“
    „Tut mir leid. Ich darf auf diese Frage nicht antworten.“
    „Haben Sie wenigstens eine Spur?“
    Die Frage kam in einem beinahe flehentlichen Tonfall. Servaz nickte. Aber hatte er wirklich eine? Er begann daran zu zweifeln.
    „Ich werde mein Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen“, sagte der Abgeordnete, nachdem er sich wieder gefasst hatte. „Ich will, dass der Mistkerl, der das getan hat, geschnappt wird.“
    „Dann sollten Sie meine Fragen beantworten.“
    „Legen Sie los!“
    „Erzählen Sie mir von ihr.“
    Lacaze atmete tief ein, und wie ein Boxer, der fast am Ende seiner Kräfte ist und den Kampf trotzdem fortsetzt, ging er zum Angriff über.
    „Sie war eine sehr intelligente Frau. Wunderschön. Begabt. Claire hatte alles, was man sich nur wünschen kann, sie war eine von den Göttern gesegnete Frau, ein Allround-Talent.“
    Von den Göttern gesegnet? Vielleicht bis Freitagabend , dachte Servaz.
    „Wie haben Sie sich kennengelernt?“
    Lacaze erzählte. Ausführlich. Mit einer gewissen Selbstgefälligkeit und einer nicht vorgetäuschten Ergriffenheit, wie Servaz bemerkte. Er sei, wie jedes Jahr, seit er Bürgermeister von Marsac war, eingeladen worden, das Gymnasium zu besuchen. Er kannte jeden Lehrer, jeden Angstellten: Die Khâgne von Marsac sei einer der „Leuchttürme“ der Stadt, der die besten Schüler der gesamten Region anlockte. Man habe ihm die neue Lehrerin für Sprachen und Kulturen der Antike vorgestellt. Schon beim ersten Zusammentreffen habe es zwischen ihnen gefunkt, erklärte er. Mit einem Glas in der Hand hätten sie geplaudert. Sie habe ihm von ihrer Laufbahn erzählt, dass sie zunächst in einer Mittelschule Französisch und Latein unterrichtet habe, dann die Staatsprüfung für das höhere Lehramt abgelegt und in einem Gymnasium unterrichtet habe, ehe ihr diese renommierte Stellung angeboten worden sei. Er habe sofort gespürt, dass sie als Alleinstehende jemanden an ihrer Seite brauchte, um in diesem neuen beruflichen Umfeld ein neues Leben anzufangen. Instinktiv, mit seinem guten Riecher für das, was in den Köpfen der Leute vor sich geht – übrigens einer Fähigkeit, die er von seinem Vater, dem Senator Lacaze, geerbt habe, wie er eigens betonte. Schon bei ihrer ersten Begegnung sei für ihn klar gewesen, dass es dabei nicht bleiben würde. Und genau so sei es dann kaum zwei Tage später gekommen, als sie sich zufällig in einer Autowaschanlage über den Weg liefen. Von dort aus seien sie direkt in ein Hotel gefahren. So habe es angefangen.
    „War ihre Frau damals schon krank?“
    Lacaze zuckte zusammen wie unter einer Ohrfeige.
    „Nein!“
    „Und dann?“
    „Das Übliche. Wir haben uns verliebt. Ich war eine öffentliche Person. Wir mussten diskret bleiben. Das hat uns belastet. Wir hätten unsere Liebe gern in die Welt hinausgeschrien.“
    „Sie hat Sie gebeten, Ihre Frau zu verlassen, aber Sie wollten nicht, stimmt‘s?“
    „Nein. Da liegen Sie völlig falsch, Commandant. Ich wollte Suzanne verlassen. Und Claire war dagegen. Sie sagte, so weit sei sie nicht, das würde meine Karriere ruinieren – diese Verantwortung wollte sie nicht auf sich nehmen, solange sie noch nicht wusste, ob sie ein Leben lang bei mir bleiben wollte.“
    In seiner Stimme lag ein Anflug von Bedauern.
    „Und dann wurde Suzanne krank, und alles war anders …“ Er sah Servaz aus unendlich traurigen Augen an. „Meine Frau hat mir vorgehalten, dass ich eine Bestimmung habe, und dass Claire sehr egozentrisch ist, so sehr auf sich selbst bedacht, dass sie mir nicht dabei helfen kann, diesen Auftrag zu

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