Kindsköpfe: Roman (German Edition)
handelte, mit denen er auch weiterhin in das Haus mit Turmfortsatz ziehen wollte.
»Warum hast du es so eilig?«, fragte Oliver am Tag nach der Operation. Es war sein freier Abend; im Fernsehen lief eine Quizshow, und Niklas suchte Unterlagen für den Makler zusammen.
»Du hast doch gesehen, wie viele Leute auf der Liste stehen. Gefällt dir das Haus nicht?«
»Bei einem anderen Preis würde es mir besser gefallen.«
»Mach dir darum keine Sorgen.« Niklas versuchte Oliver zu küssen, doch der wies ihn zurück.
»Vielleicht fragst du mich auch mal, ob ich das will, Niklas? Du entscheidest immer, und mir bleibt nicht viel übrig, außer ja zu sagen. Hat es dich jemals interessiert, ob ich Ersatzpapi spielen will für die Kinder deiner Schwester?«
Niklas schloss die Tür, damit Hannes nicht Olivers Geschrei mit anhören musste.
»Mal willst du Kinder, dann wieder nicht. Mal passt es dir nicht, dass ich alleine wohne. Dann finde ich ein Haus für uns, und es ist wieder nicht richtig?«
Oliver starrte auf den Bildschirm, als hoffte er, die Quizshow-Leute würden jeden Moment eine passende Antwortmöglichkeit einblenden. Doch den Gefallen taten sie ihm nicht, und so zuckte er nur frustriert mit den Schultern.
10 : Tapetenwechsel
Endlich kam der Tag, an dem Lotte aus dem Krankenhaus entlassen werden sollte. Niklas war froh, sie wieder nach Hause zu holen, und plante ein kleines Fest. Bei Pino reservierte er einen Tisch, auch seine Mutter und sogar Maki lud er zum Essen ein. Dann verabredete er einen Termin mit dem Makler, den er bislang hingehalten hatte, um Lotte das Haus zu zeigen. Bevor er irgendetwas unterschrieb, sollte sie das haben, was er ihr gerne manchmal abgewöhnt hätte: das letzte Wort.
Die Luftballons, die er in einem Spielzeugladen in der Altstadt besorgt hatte, passten kaum in den Aufzug, und die Schwestern machten große Augen, als er die Station betrat. Ein Pfleger mit blonden Rastalocken schob gerade einen Jungen mit eingegipsten Armen im Rollstuhl über den Flur.
Niklas lief gutgelaunt zu Lottes Zimmer. Die Tür war angelehnt. Er klopfte kurz an und trat ein. Schwester Andrea stand mit ihrem breiten Kreuz vor dem Bett und zog es ab. Sie sortierte Kissen und Bettdecke in einen fahrbaren Wäschesack, die Bezüge und das Bettlaken landeten in einem zweiten.
»Hat sie was vergessen?« Andrea drehte sich halb zu Niklas herum, sodass sein Blick auf das Fenster fiel. Es stand sperrangelweit offen. Eine kurze Panik überkam ihn.
»Wo ist Lotte?«
Die Schwester betrachtete ihn, als hätte er den Verstand verloren. Langsam kam er sich albern vor mit seinen Luftballons.
»Haben Sie sie nicht gerade abgeholt?«
Die Lautstärke, in der Niklas zum wiederholten Mal nach Lottes Verbleib fragte, war möglicherweise etwas übertrieben, aber immerhin hörte die Schwester auf, Fragen zu stellen, deren Antworten offensichtlich waren.
»Kommen Sie!« Schwester Andrea rauschte an ihm vorbei. Er wollte ihr folgen, hatte aber Schwierigkeiten, die Luftballons so schnell durch die Tür zu bekommen. Einige rieben sich gefährlich quietschend am Rahmen.
»Lassen Sie doch die verdammten Dinger hier!«, herrschte Andrea ihn an. Niklas tat wie ihm geheißen und musste mit anhören, wie die Stationsschwester in der Anmeldung die gleichen dummen Fragen stellte wie zuvor Andrea.
»Aber ist sie nicht gerade abgeholt worden?«, flüsterte die ältere Kollegin in der Annahme, Niklas könnte sie nicht verstehen, und fixierte ihn verstohlen aus den Augenwinkeln.
»Dann wäre ich kaum hier«, sagte Niklas wütend.
Die Stationsschwester räusperte sich und erhob sich von ihrem Stuhl. Dabei strich sie eine Kittelfalte glatt. »Lotte wurde ordnungsgemäß entlassen, Herr Tiedemann. Ich habe hier ihre Akte auf dem Schreibtisch.«
»Die Akte interessiert mich nicht. Ich will wissen, was mit dem Kind passiert ist!«
»Lotte ist vor einer Viertelstunde abgeholt worden«, war plötzlich eine Männerstimme zu hören. Niklas fuhr herum und schaute in das Gesicht des Pflegers mit den verfilzten Rastalocken. Er hatte die Hände in den Hosen vergraben und kaute auf dem Stiel eines Lutschers herum, der in seinem Mundwinkel steckte. »Hey, sind Sie nicht ihr Onkel?«
Dann sah er zur Stationsschwester und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung hinter sich, wo eine ältere Dame im Rollstuhl saß, die eine karierte Reisetasche umklammerte. »Das ist der Neuzugang für die 17. Ist das Zimmer fertig?«
»Wer hat Lotte abgeholt?«,
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