Kindsköpfe: Roman (German Edition)
das Diskutieren anfing, statt einfach Ja zu sagen, den Kalender zu holen und nach einem Termin zu suchen. »Ich war mir nur bislang nicht sicher.«
Lächelnd kraulte Oliver das Haar in Niklas’ Nacken. »Und was macht dich nach sechs Jahren und sechseinhalb Monaten jetzt so sicher?«
»Ich weiß es einfach.«
Oliver schien nicht überzeugt. Sein forscher Blick veranlasste Niklas zu einer unüberlegten Antwort.
»Es wäre vielleicht ein gutes Zeichen, dass wir es ernst meinen mit den Kindern.«
Oliver zog seine Hand zurück, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen.
»Es ist für dich also nur ein Schachzug?«
»Natürlich nicht! Aber … es wäre eine gute Gelegenheit. Man könnte zwei Fliegen mit … mit einer … «
Niklas starrte auf die Hand, die ihn nicht mehr streichelte. Sie begann sich zu entfernen, wurde immer kleiner und legte sich schließlich auf die Türklinke.
»Ich meine es ernst, Oliver!«
Aber da war er schon draußen.
Eine halbe Stunde später saß Niklas an einem kleinen Tisch vor Pinos Restaurant, einen schwarzen Schuhkarton im Schoß, den er mit beiden Händen festhielt. Der Italiener erkundigte sich, was er ihm bringen könnte, doch Niklas sagte, er werde jeden Moment abgeholt.
»Stimmt was nicht mit deine Freund?«
Pino legte ihm seine Hand auf die Schulter und drückte aufmunternd zu. Dann erzählte er, wie Oliver vor einer halben Stunde in seinen Laden gestürmt sei, eine Flasche Ramazotti verlangt habe und damit Richtung Rhein gelaufen war.
»Er wird feiern wollen. Ich habe ihm einen Heiratsantrag gemacht.«
»Na endlich!« Pino klatschte vor Freude in die Hände und lief hinein.
Da bemerkte Niklas das Taxi, das langsam herangerollt kam. Als es vor dem Restaurant anhielt, wurde das Fenster heruntergefahren.
»Du?«, fragte Mattis und würgte vor Schreck den Motor ab.
»Lange nicht gesehen.«
»Woher wusstest du, dass ich im Einsatz bin?« Nervös fummelte Mattis am Zündschloss herum und versuchte, den Wagen wieder zum Laufen zu kriegen.
»Wusste ich nicht.« Niklas ging zu ihm. Er stellte den Karton auf den Beifahrersitz, stieg aber noch nicht ein. »Aber es war die einzige Möglichkeit, dich zu finden.«
Mattis ließ für einen Moment vom Wagen ab und steckte sich eine Zigarette an. »Hey Mann, das mit Inken tut mir echt … «
»Ja, mir auch. Aber wir müssen jetzt nach vorne schauen.«
»Ich glaube, ich bin nicht ganz unschuldig, dass sie … Wir hatten was geraucht.«
»Ich weiß«, sagte Niklas leise.
Mattis fuhr sich durch seine Mähne, die schon fast wieder altes Niveau erreicht hatte. »Wir haben nicht irgendeinen Kinderkram geraucht. Sie war so fertig wegen der Operation, und ich wusste nicht, wie ich sie aufheitern sollte … «
Niklas setzte sich in den Wagen und schnallte sich an.
»Es gibt da einen Weg, wie du die Sache wiedergutmachen kannst.«
Mattis startete den Motor.
»Wo soll’s denn hingehen?«
»Zu dir.«
Mit einer Flasche Ramazotti und zwei Gläsern betrat Pino die Terrasse, Niklas war verschwunden. Vom Taxi sah man nur noch die Rücklichter.
Mattis hätte sich damals nicht in Pia verlieben dürfen, oder Pia hätte es wenigstens ignorieren sollen. Natürlich bemerkte sie, dass er zu stottern anfing und ihm die Ohren klingelten, sobald sie die Agentur »Knipper and friends« betrat, wo sie sich zur Graphikerin ausbilden ließ. Selbstverständlich fielen ihr auch seine sinnlichen Lippen und die verträumten Augen auf. Das blonde, lockige Haar, das Mattis bis zur Schulter wuchs und das zu einem anständigen Männerhaarschnitt zu stutzen, wie sein Vater es verlangte, er sich hartnäckig sträubte, interpretierte Pia als süßes Versprechen ungezähmter Leidenschaft. Doch dummerweise war sie die Freundin seines Vaters und wusste, was sie an Knipper senior hatte. Wenn Mattis sie in der Dunkelkammer im Keller vögelte oder im engen Kopierraum an ihren Schenkeln schleckte, sorgte sie immer dafür, dass niemand Verdacht schöpfte, und wenn Pia in voller Ekstase wieder einen Knopf berührt hatte, musste Mattis manchmal Hunderte Farbkopien ihres plattgedrückten Hinterns in den Reißwolf geben, auch wenn er gerne einige davon demonstrativ über seinem Schreibtisch aufgehängt hätte. Mattis arbeitete damals als Aushilfe in der väterlichen Agentur, allerdings nicht als Graphiker. Dieses Talent – wie auch die Affäre mit Pia – blieb dem Vater lange verborgen, und Mattis gab sich keine Mühe, an diesem Zustand etwas zu ändern.
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