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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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Vergangenheit herumpfuschte. Wolfram hatte den Schwanz eingezogen und war desertiert. Wer etwas anderes behauptete, hatte keine Ahnung.
    »Es sind immer beide schuld, Niklas. In einer Partnerschaft beziehen immer beide Prügel.«
    Er beschloss, ihre Anspielung zu ignorieren, und studierte eine Schautafel, die man an einem alten Gemäuer angebracht hatte. Hier waren die historischen Hochwasserstände seit 1795 abzulesen. Damals, im Februar, hatte die so genannte ›Eiswasserfluth‹ den Rhein so hoch getrieben, dass Niklas nicht einmal mit dem ausgestreckten Arm die Marke erreichte.
    »Wie kommt es überhaupt, dass sie die Kinder zu dir bringen?«, wollte er wissen.
    »Sie besuchen Petras kranke Mutter in Krefeld und wollten ihr nicht gleich die Kinder zumuten.«
    »Sie nutzen dich aus.«
    »Nach Inkens … Du bist nie auf die Idee gekommen, dass auch ich ihnen eine gute Mutter hätte sein können?«
    »Du wärst ihnen vor allem eine alte Mutter gewesen. Eine Großmutter.«
    Niklas spürte, wie jemand an seiner Jacke zog. Hannes stand hinter ihm, der Ausflug war vorüber. Oliver hatte den Kindern ein Eis gekauft, bemerkte aber nicht, dass die Kugeln schon halb geschmolzen waren und die Soße an Hannes’ kleinen Fingern herablief. Niklas leckte das Eis wieder in Form und erkundigte sich, für welche Sorten er sich entschieden hatte.
    »Vanille«, antwortete der Kleine strahlend. »Und Trotant.«
    Niklas tauschte einen fassungslosen Blick mit Oliver. Der nahm seine Hand und ließ sie für den Rest des Spaziergangs nicht mehr los.

    Die Kanzlei Parese lag in einem Hinterhof, in einer Seitenstraße der Königsallee, und bestand im Wesentlichen nur aus einem Wartezimmer, in dem auch die Sekretärin untergebracht war, und einem kleinen, dämmrigen Büro, das vollgestopft war mit Büchern. Sein einziger Schmuck bestand aus einem Plakat, das ungerahmt an der Wand hing und eine erschrocken dreinblickende Katze zeigte, die ihre kleine Zunge herausstreckte.
    Man kann im Leben auf vieles verzichten, aber nicht auf Katzen und Literatur , stand darüber.
    Das Büro wurde von einem weiblichen Kobold bewohnt, der sich als Dr.Tita Parese vorgestellt hatte: Ihr Kopf, der in Relation zum Körper zu groß geraten war, saß auf schmächtigen Schultern. Was aus der Entfernung wie eine russische Fellmütze erschien, war in Wirklichkeit die Frisur. Frau Kobold hatte sich barfuß im Schneidersitz in einem riesigen alten Ohrensessel niedergelassen, in dem sie fast völlig versank. Auf ihrem Schoß schnurrte ein Kater. Oliver, der mit Niklas auf einem altmodisch geblümten Sofa saß, starrte unverholen auf die nackten Koboldfüße.
    Während die Männer die Lage schilderten, lauschte Parese aufmerksam und kraulte die träge Katze. Am Ende quittierte sie den Bericht mit einem scheinbar unbeteiligten Nicken und fragte:
    »Mögen Sie eigentlich Katzen?«
    Niklas hasste Katzen. Hunde mochte er, weil sie als Haustier funktionierten und den einfachen Handel verstanden: Der eine gibt dem anderen zu fressen, dafür lässt sich der andere von dem einen streicheln. Eigensinnigkeit gehörte zu den Eigenschaften, die er schon bei Menschen nicht mochte.
    Ratlos sah er zu Oliver. Sein Blick sprach ihm aus der Seele: Wir vergeuden unsere Zeit!
    Niklas rutschte an die vorderste Kante des Sofas. »Wenn Sie ein Problem mit uns haben, wäre es nett, wenn Sie uns kurz ein Zeichen geben könnten.«
    Tita Parese zuckte zusammen, als sei sie aus dem Tiefschlaf gerissen worden. »Haben Sie ein Foto von den beiden?«
    »Bitte?«
    »Von Hanna und Otto? Wie sehen sie aus?«
    Niklas ließ sich erschöpft ins Sofa zurücksinken, während Oliver der Anwältin seinen Schlüsselanhänger demonstrierte. Es war ein runder Plastikrahmen, in dem Minifotos der Kinder steckten: Lottes Gesicht über und über verschmiert mit weißer Creme, und ihre blonden Haare, die sie mit der gleichen Substanz versehen hat, standen in alle Himmelsrichtungen. Sie musste zwei oder drei Jahre alt gewesen sein, als Inken sie einen Moment zu lang ohne Aufsicht im Badezimmer gelassen hatte. Die Rückseite des Rahmens zeigte ihren Bruder in einer kleinen Plastikwanne, wie er eine rote Spielzeugente in die Luft streckte und sich des Lebens freute.
    »Warum haben Sie sie überhaupt gehen lassen?«, fragte Tita Parese.
    Olivers Brauen hoben sich kaum merklich. Niklas, der es satt hatte, dass sich jeder das Recht herausnahm, zu beurteilen, was er unternommen und unterlassen hatte, wurde

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