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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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Stattdessen verdiente er sich etwas Geld mit Botendiensten, kleineren gärtnerischen Tätigkeiten und indem er den Jaguar seines Vaters wusch und reparierte. Auf eine Ausbildung hatte er keine Lust, und ohne einen vernünftigen Haarschnitt hätte er die beim Senior auch nicht bekommen. Mattis und sein Vater taten alles, um Pia den Himmel auf Erden zu bereiten, jeder auf seine Weise: Der Alte mit exklusiven Urlauben und Besuchen in schicken Restaurants, für die man schon Wochen im Voraus einen Tisch reservieren musste, der Junior bezahlte in einer anderen, durchaus harten Währung.
    Aber nach ein paar Monaten reichte das Mattis nicht mehr. Er wollte Pia mehr bieten als schnelle Orgasmen auf dem väterlichen Farbkopierer. Er wollte seine erste große Liebe in schnellen Autos, die er sich nicht leisten konnte, durch die Gegend chauffieren. Nur um zu sehen, wie der Fahrtwind mit ihren rotblonden Haaren spielte. Und so entführte er sie eines Tages in einem knallroten Porsche, der ihm so wenig gehörte wie Pia selbst. Sie verbrachten ein Wochenende in Paris, in einem eleganten Hotel in der Rue Chauveau Lagarde im achten Bezirk, wo man kein Wort Deutsch verstand, aber die Kreditkarte akzeptierte, die er aus dem Portemonnaie seines Vaters entwendet hatte. Das Fälschen der Unterschrift fiel ihm leichter als vermutet.
    Sie liebten sich stundenlang, und wenn sie Hunger hatten, ließen sie sich unaussprechliche Köstlichkeiten aufs Zimmer kommen und aßen sie im Bett. Anschließend wurden sie träge, kifften, wovon sie noch träger wurden, und schliefen ein, und wenn sie erwachten, liebten sie sich wieder. Samstagmittag, als Pia vor Erschöpfung erneut eingenickt war, schlich sich Mattis leise aus dem Zimmer.
    In seinen Ohren schwirrten verträumte Akkordeon-Melodien, als er die Treppen hinuntereilte, drei Stufen auf einmal, den Aufzug ignorierend, der vom Übergang vom ersten in den zweiten Stock so verdächtig knarzte. Nicht auszudenken, wenn er ausgerechnet heute in diesem Ding steckenbleiben würde! In einem Blumenladen, gleich vor dem Hotel, kaufte der alte Romantiker einen üppigen Strauß roter Rosen, und auf dem Rückweg verführten ihn die funkelnden Auslagen von Swarowski in der Hotellobby zu einer weiteren Dummheit.
    Mattis hätte ewig in Paris bleiben mögen, ein Leben lang an der Seite der wundervollen Pia in der Rue Chauveau Lagarde. Als sie ihn am Sonntagmorgen bat, zurück nach Hamburg zu fahren, stimmte er erst zu, nachdem er ihr ein Versprechen abgerungen hatte.
    »Du darfst ihn nicht wiedersehen.«
    Mattis fuhr mit der Hand durch Pias Haare. Sie lag mit dem Kopf auf seiner Brust und betrachtete den Stuck an der Decke.
    »Wen denn?«, fragte sie beiläufig.
    »Den Alten.« Mattis zog liebevoll an ihrem Ohr.
    Mit einer flinken Bewegung schob sich Pia auf seinen Bauch.
    »Mattis, ich arbeite für deinen Vater. Schon vergessen?«
    Er griff nach dem Telefon, das auf dem Nachtschrank stand, und hielt ihr den Hörer vors Gesicht. »Kündige!«
    »Du bist verrückt.« Sie verschränkte ihre Arme und stützte sich damit auf seine Brust.
    Mattis bekam keine Luft mehr. »Ich kann für uns beide sorgen«, sagte er atemlos.
    »Indem du am Wochenende sein Auto wäschst?«
    Mattis schob sie unsanft von sich und setzte sich auf die Bettkante.
    »Entschuldige!« Pia umschloss ihn von hinten mit den Armen und küsste die zerzausten Haare auf seinem Hinterkopf. »Ich will nur nicht, dass du oder irgendjemand für mich sorgt. Ich bin doch schon ein großes Mädchen.«
    Mattis schwieg eine Weile und genoss die Zärtlichkeiten, mit denen Pia ihn um Vergebung bat. Dann nickte er und zog langsam die Schublade des Nachtschranks auf, in dem er die Ringe aufbewahrte, die er am Vortag gekauft hatte.
    »Also gut. Du darfst ihn noch zweimal sehen: Bei der Kündigung und bei unserer … «
    Der Rest seines Satzes ging in Pias Freudengeschrei unter.
    Kurz hinter der deutschen Grenze wurden sie von der Polizei angehalten. Der Autohändler, bei dem Mattis am Freitag offiziell zur Probefahrt aufgebrochen war, verlangte seinen Porsche zurück. Zwar genoss Vater Knipper in Hamburg einen tadellosen Ruf, und so konnte er das geschädigte Autohaus dazu bringen, die Anzeige gegen seinen Sohn fallenzulassen und die Angelegenheit als großes Missverständnis zu begreifen. Doch damit war Mattis lange nicht aus dem Schneider. Denn sein Vater warf ihn zunächst aus der Firma und dann aus dem Haus, wo Mattis seit der Scheidung der Eltern immer noch

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