Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
Vom Netzwerk:
Stecker der Lampe aus der Steckdose. Ich sah es sofort. Die Lampe war manipuliert worden. Der Draht hatte durch Klemmlüster direkten Kontakt mit dem Stahlrahmen. Das war eine geplante Aktion. Mir wurde unheimlich. Frau Stadl ging ein und aus in meiner Wohnung, wie es ihr beliebte. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass sie es gewesen war, die mir diesen Stromschlag versetzt hatte, womöglich, um mich zu töten. Ich rief die Polizei an. Ich berichtete am Telefon, was vorgefallen war. Dass ein Mordanschlag auf mich geplant worden war. Der Polizist am anderen Ende der Leitung war mehr als skeptisch. Ich insistierte. »Mein Bett ist manipuliert worden. Ich war es nicht!«
    Es kamen schließlich zwei Polizisten, die sich meinen Bericht anhörten. Sie trugen eine gelangweilte Miene zur Schau. Sie erwarteten das übliche Gejammere über Bagatellen, das sie sich Nacht für Nacht anhören mussten. Das konnte ich verstehen. Ich zeigte ihnen die Manipulation des Bettgestells. »Sie können sich gerne in das Bett legen und einen Probelauf machen. Gut festhalten am Stahl, damit es auch richtig knistert und knastert.«
    Sie zeigten sich beeindruckt.
    »Mal lieber nicht!« Sie telefonierten, und kurz darauf kamen zwei Kripobeamte, denen ich die Geschichte noch einmal servierte. Die Kripobeamten wiederum ließen zwei Männer von der Spurensicherung mit ihren Köfferchen kommen. In den Köfferchen waren kleine Labors. Es war richtig was los in der Bude. Die Männer von der Spurensicherung schlüpften in ihre weißen Overalls, setzten sich OP-Hauben auf, streiften sich Gummihandschuhe über die Hände, sahen jetzt aus wie Marsmenschen und untersuchten das Stahlgestell, die Lampe, diverse Gläser neben dem Bett nach Fingerabdrücken, indem sie ein weißes Pulver aufstäubten. Sie fanden Fingerabdrücke, die sie mit einem speziellen Papier sicherten. Das alles sah sehr gründlich und beeindruckend aus. Sie untersuchten den Boden, den Teppich, pickten Haare mit einer Pinzette auf, Brotkrümel, alles, was verstreut herumlag. Es war eine ganze Menge. Ich hatte schon lange nicht mehr gestaubsaugt. Währenddessen vernahmen mich die Kripobeamten. Ich erzählte von meinem Verdacht gegen Frau Stadl. Ich zeigte ihnen die blauen Penisse mit den Hakenkreuzen auf den Eiern, die immer noch meine Wohnung zierten.
    »Wir dachten, es sei Kunst«, stichelte einer der Kripobeamten, ein kleiner Kerl mit Ohrringen, und grinste gemein. »Deswegen waren Ihre Kollegen schon da. Das war auch die Stadl.« Ich informierte sie darüber, was mir Frank Götz erzählt hatte. »Eine gewisse Frau Körner, die erst vor ein paar Tagen tot aus der Spree gefischt wurde, fungierte in der Wohnung von Frau Stadl als Kindermädchen und Veranstalterin erotischer Partys gleichzeitig.« Ich verwies auf die unhaltbare Situation, in der der Junge leben musste. Dass das Jugendamt es nicht für nötig hielt, einzugreifen. Die Kripobeamten notierten alles gewissenhaft. Ich hatte immer noch das Tranchiermesser in meiner Hosentasche. Ich erwähnte es nicht. Ich sagte auch nichts von dem Schauspiel, das mir Philip in der Küche dargeboten hatte. Ich wusste nicht, warum ich den Beamten nichts davon erzählte. Philip war eine Schlüsselfigur. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, ihn schützen zu müssen. Ich konnte dieses Gefühl nicht begründen. Es war einfach da.
    Ich zeigte ihnen auch nicht die Zeichnungen von Martha. Das wollte ich mit Martha erst einmal allein abklären. Zur Polizei konnte ich damit immer noch gehen.
    »Sie hören von uns.« Mit diesem Standardsatz verabschiedeten sich die Beamten.
    »Das hätte schief gehen können!«, sagte ein Spurensicherer beim Schließen seines Koffers. Ich fiel todmüde ins Bett. Bald würden die Presslufthämmer dröhnen. Ich stopfte mir Ohropax in die Ohren. Ich wusste, dass es nicht viel gegen den Lärm helfen würde. Gegen viele andere Dinge des Lebens auch nicht. Ich fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Ich träumte, dass ich nichts träumte. Das war beruhigend. So lief mir wenigstens kein Alptraum über den Weg. Davon hatte ich tagsüber reichlich.

Kapitel 5
    Ich lag mucksmäuschenstill im Bett und lauschte. Nichts tat sich, es herrschte Ruhe. Kein Bohrer, keine Schleifmaschine. Ich tastete den Stahlrahmen meines Bettes ab, mit zaghaften Fingerspitzen. Ich lebte noch und war nicht tot. Frau Stadls elektrisches Bett hatte nicht funktioniert. Wer sonst, wenn nicht Frau Stadl, sollte es gewesen sein? Ich fand keinen triftigen Grund für

Weitere Kostenlose Bücher