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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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erledigen.«
    »Wie halten Sie das bloß aus?« Ich konnte mir die Stichelei nicht verkneifen. Er grinste verlegen. Es war sein Kollege. Sie mussten miteinander auskommen. Ich wäre gerne noch ein paar Spitzen gegen diesen stinkenden Handkäse auf zwei Beinen losgeworden. Das baute Frust ab. Ich ließ es.
    »Worum geht es denn?« Er schaute mich dankbar an. »Die Sache ist die. Diesen Philip Stadl gibt es amtlich gar nicht.«
    »Wie bitte?«
    »Der war nie irgendwo gemeldet. Nirgends. Urkundlich ist er nicht existent. Er war in keiner Schule. In keinem Kindergarten. Keine Taufe. Nichts. Er ist nicht einmal tot. Er ist gar nicht da. Er hat nie existiert! Selbst wenn er lebte, könnte er nicht beweisen, dass er es ist, der er zu sein vorgibt, vorausgesetzt, dass er überhaupt er sein will und kein anderer. Wobei das vollständig ohne Belang ist. Er kann sein, wer er will, er wird es nicht sein, weil es ihn nicht gibt. Er bekäme nie einen Pass, keine Aufenthaltsgenehmigung, keine Duldung, er würde durch jedes Asylverfahren fallen, er würde auf der Stelle abgeschoben, wenn man wüsste, wohin man ihn abschieben soll. Wie soll man jemanden abschieben, der nie existierte? Der nur aus ein paar Kilo Fleisch, Blut, Sehnen, Knochen und etwas Hirnmasse besteht? Wenn überhaupt! Oder können Sie seine Existenz beweisen? Sie können sie nur behaupten!« Er sah mich nach dieser Ausführung fast triumphierend an. Seine zwingende Logik gefiel ihm. Sie war präzise und unwiderlegbar. Barbara staunte nur.
    »Haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Ich habe diesen Jungen untersucht und behandelt! Was reden Sie also für einen Unsinn?« Ihre Augen funkelten. Jetzt war sie wütend. »Wollen Sie etwa andeuten, dass Philip für Sie tatsächlich nicht mehr existiert? Sie wissen doch, was der Junge in seinem Schrank, in der Wohnung mitgemacht hat!«
    »In der Wohnung ist nichts. Keine Spur von ihm. Rein gar nichts.«
    »Und die Mutter?«
    »Wir suchen nach ihr. Bisher erfolglos.«
    »Weiß Frau Maibaum nichts?«
    »Sie wird verhört. Ich habe noch kein Ergebnis.«
    Ich mischte mich ein. »Wollen Sie sagen, Frau Stadl gibt es auch nicht?«
    »Doch, amtlich ist sie korrekt.«
    Barbara ließ nicht locker. »Philip ist also nicht mehr Gegenstand Ihrer Ermittlungen?«
    »So habe ich das nicht gesagt.«
    »Es ist die zwingende Konsequenz aus Ihren Darlegungen. Wer nicht existiert, nach dem wird auch nicht ermittelt.« Sie rollte mit den Augen und fluchte. »Der Junge stand vor mir! Ziemlich neben der Spur!«
    »Können Sie es beweisen?«
    »Ich bin der Beweis!«
    »Es kann doch ein ganz anderer gewesen sein, der nur behauptete, Philip zu sein.«
    »Seine Mutter hat ihn mir als ihren Sohn Philip vorgestellt. Warum sollte sie das tun, wenn Philip gar nicht ihr Sohn ist, sondern ein anderer?«
    »Das ist nicht auszuschließen, dass sie das getan hat. Sie glauben ja nicht, was die Leute so alles Verrücktes tun. Haha.« Sein Lachen klang verkrampft.
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    »Welche?«
    »Ob Sie weiter ermitteln oder Philip ad acta legen.«
    »Er war nie in einer Akte.«
    Barbara wandte sich ab. »Blödmann«, knurrte sie. Der Gelbgesichtige verzog keine Miene. Der mit dem ekligen Mundgeruch übernahm das Wort. »Der Wagen, in dem man Sie entführte, wurde identifiziert. Er wurde gestohlen. Von dem Motorradfahrer, der den Anschlag auf Sie verübte, fehlt jede Spur. Keine Zeugen, nichts. Die Bombe in Ihrem Briefkasten hat ein Profi gebastelt. Sie war klein und effizient kalkuliert. Sie wog nur ein paar Gramm. Briefmarkengröße. Die Hand sollte zerstört werden. Das war die Absicht. Die doppelte Größe der Bombe hätte Sie zerrissen. Der Täter wollte Sie warnen, nicht töten. Noch nicht. Wahrscheinlich war es ihm sogar egal, wer durch die Bombe verletzt wurde. Sie, oder der Briefträger. Das nächste Mal geht er gezielter zur Sache. Dann haut er Sie weg. Wumm!« Ich war Schritt für Schritt zurückgewichen. Die Duftwolke war unerträglich. Er folgte mir unerbittlich. Es machte ihm sichtlich Spaß, mir mein baldiges Ableben durch eine Bombe auszumalen. Er hatte ein permanentes Grinsen im Gesicht.
    »Gib mir mal ein Tempo.« Barbara gab mir ein Tempo-Taschentuch. Ich zerknüllte es und stopfte es dem Stinker, der unaufhörlich weitersprach, in den Mund. Er war verblüfft. Damit hatte er nicht gerechnet. Er schloss den Mund. Ein Zipfel des Tempo-Taschentuches schaute aus dem Mundwinkel. Was sollte er jetzt tun? Es sich aus dem

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