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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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oder seine Mutter, Frau Stadl. Ich holte das Hologramm wieder aus meiner Hosentasche. Ich wog es in meiner Hand. Ich dachte an die Urne, die ich zertrümmert hatte. Viel war von dem Jungen nicht übrig geblieben. Etwas Asche und das Hologramm. Ich konnte natürlich in das Beerdigungsinstitut fahren und mich um die zerbrochene Urne und den Rest der Asche kümmern. Wahrscheinlich würde da aber in Bälde die Kommissarin auftauchen und mit ihr die eifrige Spurensicherung. Die würde die Asche fein säuberlich in einem durchsichtigen Plastikbeutel zur Analyse einsammeln. Den Rest würde eine Reinemachefrau mit dem Staubsauger erledigen.
    »Kann ich einen Steinkreis in Ihrem Teich bauen und dieses Hologramm hineinlegen? Mehr, fürchte ich, ist nicht von ihm übrig geblieben. Ich weiß auch nicht, wo seine Angehörigen sind. Ob überhaupt noch welche existieren. Die junge Frau hier in der Schultüte war es nicht. Es ist alles sehr mysteriös.«
    Sie nickte nur. »Tun Sie das.« In ihrem Gesicht stand geschrieben, dass sie nichts verstand. Aber der Tod war ihr in keiner Gestalt fremd. Auch nicht in der fremdesten. Ich ging in den Garten, ohne ihre Begleitung, und mit den Kieselsteinen, die auf einem Steinhaufen neben dem Teich lagen, baute ich ein Steinnest, in das ich das Hologramm legte. Ich hatte die dunkelsten Kieselsteine ausgewählt. Die Bruchstücke der Urne mit dem Guckloch waren leuchtend rot. In dem silbrigen Wasser des Teiches, dessen Oberfläche sich in einem Windhauch leicht kräuselte, war es wie das Pochen eines Herzens. Meines war schwer, als ich ging. Ich hatte mich nicht von Frau Jodler verabschiedet. Ich war ihr dankbar, dass sie mich gewähren ließ. Ich fühlte den Jungen an seinem Platz gut aufgehoben. Ich dachte wieder an den unbekannten Soldaten. Egal, in welcher Schlacht er gefallen war. Mutterglück.
    Ich nahm von Reinickendorf bis zum Alex die S-Bahn. Der Alex wirkte auf mich immer wie ein aufgeklappter Umzugskarton aus Beton und Zementplatten. In dem Karton wimmelten Touristen kreuz und quer. Wie Maikäfer. Sie hatten etwas verloren und waren auf der Suche. Aber wonach? Mein Gott, ja, was war es denn, wonach sie suchten? Es roch nach Döner und Thüringer Würsten. Sie rannten zu den Wurstbuden. War es die Wurst? Mit oder ohne Senf? Das pralle Leben? In Kunstdarmhäuten verpackt? Bis zum Stutti war es noch ein Stück. Ich überlegte, ob ich den ganzen Weg laufen sollte. Es war früher Mittag. Vor dem Bahnhof standen Fahrradrikschas. Ich entschied mich für eine Rikscha, die von einer jungen Frau gefahren wurde. »Zum Stutti.«
    »Okay.« Ich setzte mich in die Rikscha. Die Federung ächzte. Es war mir nicht peinlich, mich von ihr kutschieren zu lassen. Sie war so zierlich. Sie hatte braun gebrannte, muskulöse Beine. Sie trug kurze Hosen und ein Leibchen, das die Schultern und Arme frei gab. Sie hatte einen blonden Pferdeschwanz. Zwischen Leibchenrand und Hosenbund war Haut. Sie schwang sich auf den Fahrradsattel, ein breites Ding. Man konnte den Ansatz der beiden Vertiefungen über dem Po sehen, der sehr ansehnlich auf dem Sattel ruhte und sich in den Shorts wohltuend abzeichnete. Sie stellte sich jetzt auf die Pedalen, um in Fahrt zu kommen. Durch das Sitzen auf dem Sattel waren die Shorts nach oben gerutscht und der Po lag ein gutes Stück frei. Er hob und senkte sich beim Treten der Pedale. Spannung und Entspannung der Muskulatur. Die Pospalte verschob sich im Tretrhythmus ständig. Links rechts, links rechts. Die Shorts schnitten bei dem ständigen Auf und Ab in die Pospalte ein. Der Ausblick auf das Gesäß wurde dadurch noch freier. Ich fragte mich, ob sie unter den Shorts ein Höschen trug. Ich konnte keines erspähen. Ob ich sie von hinten vögeln konnte, während sie im Stehen, leicht vornübergebeugt, fuhr? Technisch war das machbar. Ich konnte sie ganz einfach umfangen, nah genug war sie. Ich konnte ihre Hände auf dem Lenker umgreifen. Ich konnte, wenn ich wollte, mich statt ihrer auf den Sattel setzen und in die Pedalen treten. Sie auf meinem Schoß. Vögeln im Rhythmus des Tretens der Pedale. Auf und ab. Herrlich, diese Vorstellung. Wir würden laut klingeln mit der Fahrradklingel. Sie hatte keine Klingel, sie hatte eine Hupe. Zum Auf und Ab des Trittes auf die Pedalen laut hupen. Rein in sie und raus. › Noch, noch, mehr, mehr, schneller, schneller! ‹ , schrie sie. Ich strampelte, was das Zeug hielt. Wir nahmen richtig Fahrt auf. Wir donnerten die Straße des 17. Juni runter,

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