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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Betracht zieht, daß Ali Liston einen richtig harten, praktisch unsichtbaren Schlag versetzt hat, und selbst wenn man das Durcheinander im Ring und Listons Bereitschaft, weiterzukämpfen, sobald er wieder auf den Beinen war, berücksichtigt, wäre es töricht, die Möglichkeit, daß Liston bewußt zu Boden ging – oder diesen Vorsatz hatte –, völlig auszuschließen.
    Johnny Tocco, ein Trainer, der mit Liston schon in St. Louis und später auch in Las Vegas gearbeitet hatte, sagte vor seinem Tod im Jahr 1997 Journalisten gegenüber, er habe gerüchteweise gehört, die Black Muslims hätten versucht, Liston einzuschüchtern. »Ich hab ihn danach gefragt«, sagte Tocco, »und Sonny sagte dazu bloß: ›Reden wir nicht drüber – der Kampf mußte eben so laufen.‹« Tocco behauptete, John Vitale habe ihm gesagt, der Kampf werde nur eine Runde dauern. Aber irgendwie wirkt eine Aussage, die auf Hörensagen beruht und die ein Ringspezi aus Las Vegas von einem Mobster aus St. Louis erfährt, nicht sehr überzeugend.
    In fortgeschrittenem Alter verlangte Geraldine Liston Geld für Interviews – eine Forderung, die ich zurückwies. Doch in ihrem letzten Gratisinterview, das sie 1996 dem Pay- TV -Sender HBO gab, bestritt sie, daß es irgendwelche Absprachen gegeben habe.
    »Er hat gesagt: ›Du gewinnst, du verlierst … In allem muß es doch einen Sieger geben.‹ … Und so war er eben … Er hat gesagt, so was kommt eben vor … Wenn er den Kampf geschmissen hat, dann hat er’s mit ins Grab genommen, mir hat er nichts gesagt. Und wenn er ihn geschmissen hat, hab ich jedenfalls kein Geld gesehen.«
    Ali glaubte nie, daß es eine Absprache gewesen sein könnte, und er sagte das nicht nur, um seinen Ruf zu schützen. Was er sagte, klang durchaus vernünftig. »Sonny ist zu doof und zu langsam, um so einen manipulierten Kampf zu machen«, sagte er. »Und außerdem hätte Liston wohl länger als nur eine Minute damit gewartet, wenn auch nur, damit es gut aussieht … Ich hab ihn voll mit meinen ganzen dreiundneunzig Kilo getroffen, und das haben sie mir nicht richtig zugetraut … Haben Sie jemanden Schiebung schreien hören? Haben Sie jemanden Betrug schreien hören, als er auf der Matte gelandet ist? Ich wollte der ganzen Welt sagen, daß es mir nicht gepaßt hat, daß er fiel. Ich wollte der ganzen Welt sagen, daß ich nichts mit denen zu tun hatte, die von Schiebung geredet haben … Laßt mir doch meine Freude, denn wenn mir was passiert, habt ihr eure Freude … Seid fair zu mir, aber die Leute reden immer noch von Schiebung. Mein Mund hat mein Können überschattet.«
     
    Nachdem sie eine Woche lang Verschwörungsgerüchten sowie einem Kampf ausgesetzt gewesen waren, der gerade mal eine Minute dauerte, waren die wenigsten Reporter geneigt, die Sache in Alis Sinn zu sehen. Gene Ward von der
DailyNews
begann seinen Artikel folgendermaßen: »Ein rechter Punch, mit Phantomgewalt abgeschickt und mit der Wucht eines Windbeutels gelandet, schlug Sonny Liston hier in der ersten Minute der ersten Runde k. o., worauf die tobende Menge die kleine St. Dominic’s-Arena mit ›Schiebung‹- und ›Betrug‹-Rufen erfüllte.«
    Jimmy Cannon gab Liston die Schuld. Er schrieb, der Kampf Ali gegen Liston – »dieser Schwindel einer Scharade« – könnte der letzte Tropfen, der »Todesstoß« für das Boxen gewesen sein. »Der ihn führte, ist Liston, der früher einmal für die Mafia von St. Louis als Knochenbrecher gearbeitet hat. Zum Teufel damit. Ab dafür. Der Boxsport hat sich einen Paß fürs Reich des Vergessens verdient. Er hat keine Existenzberechtigung mehr.«
    Die erlauchten Stimmen der
New York Times
ergriffen die Gelegenheit, um den Boxsport selbst zu attackieren.
    Unter der Überschrift »A Hollow Ring« brachte die
Times
einen Leitartikel, in dem es hieß: »Gemäß der Idee, daß es unsportlich ist, einen am Boden liegenden Gegner zu treten, vertagen wir unsere übliche Forderung am darauffolgenden Morgen nach Abschaffung des Profiboxens. Wer, der die scheußliche Brutalität beklagt, konnte an dem kurzen und sanften Treffen Clay gegen Liston, bei dem nur die Zuschauer Schaden nahmen, etwas auszusetzen haben? Viele Jahre sind vergangen, seit zuletzt so wenige so weit gereist sind, um so wenig zu sehen. Cassius Clay und Sonny Liston haben, statt einander ›umzubringen‹, wie es in der originellen Sprache des Rings heißt, den Anfang vom Ende des kommerziellen Boxens eingeläutet – wie wir hoffen. Ein

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