Kings of Cool: Roman (German Edition)
in Laguna Canyon unzählige Häuser voller Dope und Kiffern. Es gibt so viele Outlaws im Canyon, dass die Cops von »Dodge City« sprechen.
44
Das kleine Mädchen lebt in einer Höhle.
Das ist keine Metapher, sie lebt nicht etwa in einem heruntergekommenen Haus ohne Tageslicht, sondern in einer Höhle.
Wie ein Neanderthaler.
Die Höhle befindet sich in den Bergen in der Nähe der Seen, nach denen Laguna benannt wurde.
Im Sommer ist eine Höhle dort gar nicht mal so schlecht – eigentlich sogar ganz schön. Die Tage sind warm, die Nächte kühl und die Höhlenbewohner haben es ganz angenehm.
Sie haben Kerzen und kleine Gasbrenner für das wenige, das sie sich kochen. Zusammengerollte Hemden und Jeans dienen ihnen als Kissen, dazu haben sie Schlafsäcke und Decken. Am Main Beach können sie duschen und die Toiletten benutzen, obwohl sie auch im Gestrüpp vor der Höhle eine Latrine gegraben haben.
Kim, das kleine Mädchen, findet das alles furchtbar.
Sie ist sechs Jahre alt und spürt bereits, dass es da draußen etwas Besseres geben muss.
Kim stellt sich ein (eigenes, Ms. Woolf) Zimmer vor mit rosa Tapete an den Wänden und Bettwäsche, Puppen ordentlich aufgereiht auf den großen Kissen und einen Easy-Bake-Backofen, in dem sie kleine Cupcakes zaubern kann. Sie wünscht sich einen richtigen Spiegel, will davorsitzen und sich die langen blonden Haare bürsten. Sie wünscht sich ein tadellos sauberes Badezimmer und ein Haus, das ...
... perfekt ist.
Nichts davon wird in Erfüllung gehen – denn ihre Mutter ist »Freaky Frederica«.
Vor einem Jahr ist Freddie von zu Hause und ihrem (prügelnden) Ehemann in Redding ausgerissen und hat in der Höhle bei der Hippiekommune Unterschlupf (und einen neuen Namen) gefunden. Für sie war es das Beste, was ihr je passiert ist.
Für ihre Tochter eher nicht so.
Sie hasst den Dreck.
Sie hasst es, niemals ungestört zu sein.
Sie hasst das Chaos.
Leute kommen und gehen – die Kommune ist gelinde gesagt unbeständig. Der Doc ist regelmäßig zu Gast in der Höhle.
Ihm gehört ein Haus unten in Dodge City, aber manchmal hängt er in der Höhle rum, raucht Dope und schwadroniert über »Revolution«, »Gegenkultur« und die Offenbarungen, die einem Acid beschert.
Außerdem vögelt er Freddie.
Kim liegt da, reglos wie eine Puppe, und tut so, als würde sie schlafen, während der Doc und ihre Mutter neben ihr Liebe machen. Sie schließt die Augen ganz fest, versucht die Geräusche auszublenden und stellt sich ihr neues Zimmer vor.
Dort kommt niemals jemand rein.
Manchmal ist nicht der Doc bei ihrer Mutter, sondern ein anderer Mann. Manchmal sind es auch mehrere.
Aber Kims »Zimmer« darf niemand betreten.
Niemals.
45
John gefällt das Leben in der Höhle.
Mit Starshine fing es an, aber eines Nachts kuschelte er sich an eine Ausreißerin aus New Jersey, die sich Comet nannte (vermutlich nicht nach dem Haushaltsreiniger, sondern der astronomischen Erscheinung), und da sie sich von Starshine praktisch nicht unterschied, war es ihm egal.
Auf jeden Fall besser als zuhause.
Die Kommune ist auf ihre Art eine Familie, wobei John mit Familien nicht viel Erfahrung hat. Sie essen zusammen, sie reden, erledigen die Hausarbeit.
Johns Eltern fällt kaum auf, dass er nicht mehr zu Hause wohnt. Er kommt alle zwei oder drei Tage und hinterlässt kleine Spuren seiner Existenz, sagt hallo zu einem der beiden, wer auch immer gerade da ist, schnappt sich ein paar Klamotten, vielleicht auch was zu essen, und verschwindet wieder in die Höhle. Sein Vater wohnt jetzt sowieso hauptsächlich in L.A., seine Mutter hat mit der bevorstehenden Scheidung zu tun, außerdem ist es Sommer and the livin' is easy .
John raucht Gras, probiert Haschisch, nur vor LSD -Trips hat er Schiss.
»Man verliert die Kontrolle«, sagt er zum Doc.
»Man verliert sie, um sie zu finden«, entgegnet dieser kryptisch.
Nein danke, denkt John, weil er bei endlos öden Acid-Sessions schon Leute von ihren Trips runterquatschen oder neben ihnen sitzen bleiben musste, weil sie ausgeflippt sind, während der Doc aus dem Tibetanischen Totenbuch vorlas.
Abgesehen davon gibt es in jenem Sommer in der Höhle nichts, das ein vierzehnjähriger Junge nicht lieben würde. Er geht runter zum Strand, der Doc hat ihm ein Board geliehen. Dort hängt er mit den Surfern und den Hippies ab und ist meistens high. Danach geht er wieder in die Höhle, wo ihn eines der Hippiemädchen gratis vom Liebesbuffet naschen
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