Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren
Tabellenspitze geschnellt, zu den Würmern und Wasserwanzen.
Nikkis Wagen hielt hinter meinem. Sie stieg in vollendeter Haltung aus und kam heran, während ich mein Fenster runterdrehte. Die beiden Gänse erschienen wieder um die Hausecke und peilten plattfüßig ihre blanken Waden an. Sie warf ihnen einen beiläufigen Blick zu und lachte dann. Beide richteten sich wieder auf, flatterten nutzlos mit den kurzen Flügeln, wirkten plötzlich gutmütig. Nikki hatte einen Brotbeutel in der Hand und schmiß ihnen ein paar Krümel hin.
»Was, zum Teufel, sind das für Viecher?« Ich schob mich vorsichtig aus dem Wagen, aber keines von beiden schenkte mir auch nur die geringste Beachtung.
»Das sind Hänsel und Gretel«, sagte sie liebenswürdig. »Es sind Emdener Gänse.«
»Gänse war mir schon klar. Was ist los? Hat sie jemand zum Töten abgerichtet?«
»Sie halten kleine Kinder vom Grundstück fern«, sagte sie. »Kommen Sie rein.« Nikki steckte einen Schlüssel ins Schloß, und die Haustür schwang auf. Sie bückte sich, um einige Wurfpost aufzuheben, die durch den Schlitz geschoben worden war. »Der Briefträger gibt ihnen Crackers«, fügte sie nachträglich hinzu. »Die fressen ja alles.«
»Wer hatte Schlüssel zu dem Haus?« fragte ich. Ich bemerkte einen Schaltkasten für eine Alarmanlage, die offenbar ausgeschaltet war.
Sie zuckte mit den Achseln. »Laurence und ich. Greg und Diane. Sonst fällt mir niemand ein.«
»Der Gärtner? Das Mädchen?«
»Die haben jetzt Schlüssel, aber ich glaube, zu der Zeit noch nicht. Wir hatten allerdings eine Wirtschafterin. Mrs. Voss. Sie besaß wahrscheinlich einen.«
»Hatten Sie damals schon eine Alarmvorrichtung?«
»Jetzt hab ich eine. Nein, die ist erst vier Jahre drin. Ich hätte das Haus auch schon vor Jahren verkaufen sollen, aber solche Entscheidungen wollte ich nicht treffen, als ich im Gefängnis saß.«
»Es muß eine Menge wert sein.«
»Ja, klar. Die Grundstückswerte haben sich verdreifacht, und wir zahlten damals siebenhundertfünfzigtausend. Er suchte es aus. Schrieb es aus geschäftlichen Gründen auf meinen Namen, aber es war nie so ganz mein Fall.«
»Wer hat es eingerichtet?« fragte ich.
Nikki lächelte einfältig. »Das war ich. Ich glaube zwar nicht, daß Laurence was gemerkt hat, aber es war eine sanfte Rache. Er hatte darauf bestanden, daß wir das Haus nehmen, dafür ließ ich alles Farbige weg.«
Die Räume waren groß, die Decken hoch, und viel Licht kam herein. Die Böden waren dunkel gebeizte Dielen. Der Grundriß war sehr konventionell: Wohnzimmer rechts, Eßzimmer links, Küche dahinter. Es gab noch einen Salon hinter dem Wohnzimmer und eine lange, verglaste Veranda, die über die ganze Länge des Gebäudes lief. Eine merkwürdige Atmosphäre erfüllte das Haus, vermutlich weil seit Jahren niemand dort gewohnt hatte; es war wie ein Warenhausangebot besonders eleganter Ausstattungen. Die Möbel standen noch an ihrem Platz, und nicht ein Staubkorn war zu sehen. Es gab keine Pflanzen und keine Illustrierten, keinerlei Hinweis auf bestehende Aktivität. Selbst die Stille hatte einen hohlen Klang, öde und leblos.
Das ganze Interieur war in neutralen Tönen gehalten: Grau und Perlmutt, Nußbraun und Zimt. Die Couchs und Sessel waren weich gepolsterte Stücke mit gerundeten Armlehnen und dicken Kissen, ein wenig Art déco ohne großen Aufwand. Hier gingen Modernes und Antikes hübsch zusammen, und es war offensichtlich, daß Nikki ihre Sache verstand, auch wenn sie keinen Wert darauf legte.
Oben waren fünf Schlafzimmer, alle mit Kaminen, alle mit bemerkenswert großen Badezimmern, tiefen Wandschränken, Ankleidezimmern, durchgehend ausgelegt mit einem dicken, rehbraunen Teppichboden aus zottiger Wolle.
»Hier ist das Elternschlafzimmer?«
Nikki nickte. Ich folgte ihr ins Bad. Dicke schokoladenbraune Handtücher waren neben dem Waschbecken gestapelt. Es gab eine versenkte Wanne, umgeben von hell tabakfarbenen Keramikfliesen. Es gab zusätzlich eine verglaste Dusche, die als Dampfsauna ausgestattet war. Seife, Toilettenpapier, Kleenex.
»Wohnen Sie hier?« fragte ich, als wir die Treppe hinuntergingen.
»Bis jetzt noch nicht, aber ich denke daran. Alle zwei Wochen kommt jemand zum Putzen her, und natürlich ist die ganze Zeit ein Gärtner auf dem Anwesen. Ich wohne am Strand.«
»Haben Sie da noch ein Haus?«
»Ja. Die Mutter von Laurence hat es mir vererbt.«
»Wieso Ihnen und nicht Laurence?«
Sie lächelte leise. »Laurence
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