Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren
bezahle dir was für deine Zeit.«
»Postlagernd ist am besten. Ich weiß nie, wo ich lande.«
»Alles klar. Wieviel?«
»Fünfzig Piepen. Ein Sonderpreis. Für dich. Sie ist nirgends verzeichnet, und es war nicht einfach.«
»Melde dich, wenn ich den Freundschaftsdienst erwidern kann«, sagte ich, wohl wissend, daß er es tun würde.
»Ach, und Kinsey«, sagte er, »sie ist Kartengeberin beim Blackjack im Fremont, aber sie verdient sich so einiges nebenbei, wie ich höre. Ich hab sie gestern abend in Aktion gesehen. Sie ist sehr raffiniert, aber mir macht sie nichts vor.«
»Tritt sie irgendwem auf die Zehen?«
»Nicht direkt, sie ist aber nahe dran. Du weißt, in dieser Stadt juckt es niemanden, was du tust, solange du nicht betrügst. Sie sollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«
»Danke für den Hinweis«, sagte ich.
»Aber klar«, sagte er und hing ein.
Ich duschte und zog mir eine Hose und ein Hemd an, dann ging ich über die Straße und aß gebratene, in Ketchup ertränkte Muscheln mit einer Extraportion Fritten dazu. Ich trank noch zwei Tassen Kaffee und ging zurück auf mein Zimmer. Sowie ich die Tür hinter mir schloß, begann das Telefon zu läuten. Diesmal war es Charlie Scorsoni.
»Wie geht’s in Denver?« fragte ich, sobald er sich gemeldet hatte.
»Nicht schlecht. Wie geht’s in L. A.?«
»Ganz gut. Heute abend fahre ich nach Las Vegas.«
»Spielfieber?«
»Überhaupt nicht. Ich habe einen Hinweis auf Sharon.«
»Großartig. Sagen Sie ihr, sie soll mir meine sechshundert Dollar zurückzahlen.«
»Ja, ja. Klar. Mit Zinsen. Ich versuche rauszufinden, was sie über einen Mord weiß, und Sie wollen, daß ich mich mit ihr wegen alter Schulden streite.«
» Ich werde nie dazu kommen, das steht fest. Wann sind Sie wieder in Santa Teresa?«
»Samstag vielleicht. Auf der Rückfahrt über L. A. am Freitag will ich ein paar Kisten durchsehen, die Libby Glass gehörten. Aber ich nehme an, es wird nicht lange dauern. Wieso fragen Sie?«
»Ich wollte Sie doch zu einem Drink einladen«, sagte er. »Ich verlasse Denver übermorgen, werde also vor Ihnen wieder in der Stadt sein. Rufen Sie mich an, wenn Sie zurückkommen?«
Ich zögerte ein winziges bißchen. »Okay.«
»Ich meine, vergeben Sie sich nichts, Millhone«, sagte er sarkastisch.
Ich lachte. »Ich rufe an. Ich schwör’s.«
»Wunderbar. Bis dann.«
Nachdem ich eingehängt hatte, merkte ich, daß ein albernes Lächeln sich viel länger auf meinem Gesicht hielt, als es sollte. Was war nur an diesem Mann?
Las Vegas ist etwa sechs Autostunden von L. A. entfernt, und ich entschied, ich könnte eigentlich gleich losfahren. Es war kurz nach sieben und noch nicht dunkel, also warf ich meine Sachen auf den Rücksitz und sagte Arlette, ich würde für zwei Tage weg sein.
»Soll ich Ihre Anrufe weiterleiten, oder was?« fragte sie.
»Ich rufe Sie an, wenn ich dort bin, und lasse Sie wissen, wo man mich erreichen kann.«
Ich fuhr auf dem San Diego Freeway nach Norden, bog auf den Ventura, dem ich ostwärts folgte, bis er in den Colorado Freeway überging, eine der wenigen freundlichen Straßen im ganzen Autobahnnetz von L. A. Der Colorado ist breit und spärlich befahren, er durchschneidet die nördliche Grenze des Stadtgebiets von Los Angeles. Auf dem Colorado ist es möglich, die Fahrspur zu wechseln, ohne daß man Angstzustände bekommt, und die robuste Barriere, die den nach Osten gehenden Verkehr von dem nach Westen trennt, bietet die beruhigende Gewähr, daß keine Autos leichtfertig herüberschlenkern und einem frontal auf den Kühler knallen. Vom Colorado bog ich schräg nach Süden, fuhr auf den San Bernardino Freeway und nahm die 15 nordostwärts, eine lange, unregelmäßige Diagonale in Richtung Las Vegas. Wenn ich Glück hatte, konnte ich mit Sharon Napier reden und dann weiter nach Süden zum Saltonsee fahren, wo Greg lebte. Auf dem Rückweg konnte ich den Kreis mit einem Schwenk nach Claremont schließen, um kurz mit seiner Schwester Diane zu plaudern. Noch war ich nicht sicher, was mir die Reise bringen würde, aber ich mußte die Grundlagen meiner Untersuchung vervollständigen. Und Sharon Napier erwies sich bestimmt als interessant.
Ich fahre gerne nachts. Schaulust ist nicht meine Sache, und wenn ich durch das Land fahre, verlocken mich die Sehenswürdigkeiten der Natur niemals zu Umwegen. Ich habe kein Interesse für dreißig Meter hohe Felsen in der Form krummhalsiger Kürbisse. Ich bin nicht wild darauf, in
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