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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hin und trat sie mit der Spitze seines Stiefels in den Boden. Ich setzte mich auf einen Stapel Backsteine, die mit einer Plane abgedeckt waren. Lyle blickte durch gesenkte Lider zu mir herüber.
    »Wie kommen sie überhaupt darauf, daß ich Dope rauche?« fragte er unvermittelt.
    Ich tippte mir an die Nase, um ihm zu verstehen zu geben, daß ich es bei ihm gerochen hatte. »Außerdem scheint Mauern nicht so interessant zu sein«, sagte ich. »Ich schätze, wenn Sie gescheit sind, müssen Sie irgendwas tun, damit Sie nicht durchdrehn.«
    Er sah mich an, sein Körper entspannte sich ein kleines bißchen. »Wie kommen Sie darauf, daß ich gescheit bin?«
    Ich zuckte die Achseln. »Sie sind zehn Jahre mit Libby Glass gegangen.«
    Darüber dachte er erst mal nach.
    »Ich weiß überhaupt nichts«, sagte er schroff.
    »Sie wissen mehr als ich an diesem Punkt.«
    So allmählich wurde er weich, wenn auch seine Schultern noch verspannt waren. Er schüttelte den Kopf, ging wieder an seine Arbeit. Er nahm die Kelle und rührte die feuchte Mörtelmasse um wie klumpig gewordenen Kuchenguß. »Sie ließ mich fallen, nachdem sie diesen Typ aus dem Norden kennengelernt hatte. Diesen Rechtsanwalt...«
    »Laurence Fife?«
    »Klar, das nehme ich an. Sie wollte mir nichts über ihn erzählen. Anfangs war es geschäftlich — ging um irgendwelche Bücher. Seine Kanzlei hatte sich gerade an die Firma gehängt, bei der sie tätig war, und sie mußte das ganze Zeugs in den Computer bringen, verstehen Sie? So daß es von Monat zu Monat glatt durchläuft. War echt kompliziert, die haben ständig telefoniert, so in dem Stil. Ein paarmal kam er runter, und wenn sie fertig waren, ging sie ein Glas mit ihm trinken, manchmal auch zu Abend essen. Sie verliebte sich in ihn. Das ist alles, was ich weiß.«
    Er holte eine schmale Metallklammer heraus, die er im rechten Winkel in die Holzwandung des Hauses schlug, dann legte er einen mörtelbeschichteten Ziegel darauf.
    »Wofür ist das?« fragte ich aus Neugierde.
    »Bitte? Ach so. Damit wird verhindert, daß die Backsteinmauer von dem Rest herunterfällt.«
    Ich nickte, war fast geneigt, mich auch einmal als Maurer zu versuchen.
    »Und danach hat sie mit Ihnen gebrochen?« kam ich wieder zur Sache.
    »So ziemlich. Ab und zu besuchte ich sie noch, aber es war vorbei, und ich wußte es.«
    Die Anspannung in seinem Ton ließ nach, so daß er eher resigniert als zornig klang. Lyle bestrich einen weiteren Backstein mit weichem Mörtel und setzte ihn auf. Die Sonne tat mir gut im Rücken, und ich stützte mich auf die Ellbogen und lehnte mich auf der Plane zurück.
    »Was ist Ihre Theorie?« fragte ich.
    Er sah mich verschlagen an. »Vielleicht hat sie sich umgebracht.«
    »Selbstmord?« Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.
    »Sie haben gefragt. Ich sage Ihnen nur, was ich damals dachte. Sie war wirklich auf ihn abgefahren.«
    »Ja, aber so sehr, daß sie sich nach seinem Tod umbringt?«
    »Wer weiß?« Er hob eine Schulter und ließ sie wieder sinken.
    »Wie hat sie von seinem Tod erfahren?«
    »Jemand rief an und sagte es ihr.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil sie mit mir telefoniert hat. Sie wußte zuerst nicht, was sie davon halten sollte.«
    »Hat sie um ihn getrauert? Tränen? Schock?«
    Er schien zurückzudenken. »Sie war einfach total verwirrt und durcheinander. Ich bin zu ihr. Sie hatte mich darum gebeten, zu kommen, aber dann überlegte sie sich’s anders und sagte, sie wollte nicht darüber reden. Sie war fertig, konnte keinen klaren Gedanken fassen. Mir ging es etwas auf den Keks, daß sie mich herumstupste, darum bin ich wieder weg. Das nächste, was ich weiß, ist, daß sie tot war.«
    »Wer’hat sie gefunden?«
    »Der Verwalter in dem Haus, wo sie wohnte. Sie erschien zwei Tage nicht zur Arbeit und rief nicht an, da machte ihr Chef sich Gedanken und fuhr bei ihr vorbei. Der Verwalter versuchte durchs Fenster zu sehen, aber die Vorhänge waren zu. Sie klopften ‘ne Weile, erst vorne, dann hinten, und sind schließlich mit einem Nachschlüssel rein. Sie lag im Morgenrock auf dem Fußboden im Badezimmer. Sie war seit drei Tagen tot.«
    »Was ist mit ihrem Bett? Hatte sie drin geschlafen?«
    »Ich weiß nicht. Davon erwähnte die Polizei nichts.«
    Ich dachte einen Augenblick darüber nach. Es hörte sich an, als könnte sie abends eine Kapsel eingenommen haben, genau wie Laurence Fife. Mir schien immer noch, daß es die gleiche Medizin gewesen sein könnte — irgendeine

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