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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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sie sich die Finger leckte und das Kinn abwischte. Sie hatte Gregs frisches, gutes Aussehen, wog aber mehr; ein breites Hinterteil in engen, verwaschenen Jeans und, unerwartet für mich, Sommersprossen im Gesicht. Ihr dunkles Haar war in der Mitte gescheitelt und wurde von einem breiten Lederband, durch das ein Holzspan ging, hochgehalten.
    »Wußtest du, daß Nikki auf Bewährung draußen ist?« fragte ich.
    »Das hat Mama gesagt. Ist Colin wieder da?«
    »Nikki war gerade auf dem Weg ihn zu holen, als ich vor ein paar Tagen mit ihr sprach.« Ich hatte Mühe, mein Sandwich zusammenzuhalten, dickes Brot, das bei jedem Bissen bröckelte, aber ich fing den Blick in ihren Augen auf. Colin interessierte sie. Nikki nicht.
    »Hast du dich mit Mama getroffen?«
    »Ja. Ich mochte sie sehr.«
    Diane ließ ein strahlendes, stolzes Lächeln sehen. »Daddy war wirklich ein Arschloch, daß er sie für Nikki aufgegeben hat, wenn du mich fragst. Ich meine, Nikki ist okay, aber irgendwie ist sie auch kalt, findest du nicht?«
    Ich murmelte etwas Unverbindliches. Diane schien sowieso nicht hinzuhören. »Deine Mutter erzählte, du hast gleich nach dem Tod deines Vaters eine Therapie angefangen«, sagte ich.
    Diane verdrehte die Augen und nahm einen Schluck Pfefferminztee. »Ich bin schon mein halbes Leben lang in Therapie, und mein Kopf ist immer noch nicht klar. Es ist echt langweilig. Der Psychofuzzy, den ich jetzt habe, meint, ich soll eine Analyse machen, aber das tut doch kein Mensch mehr. Er sagt, ich muß meine >dunkle< Seite ausleuchten. Er steht auf diesen urfreudianischen Quatsch. Wie die ganzen alten Knöpfe. Du weiß schon, die wollen, daß du dich hinlegst und ihnen alle deine Träume und vertrillerten Phantasien erzählst, damit sie sich auf deine Kosten geistig einen runterholen können. Davor war ich bei den Reichianern, aber ich kriegte es satt, zu schnaufen und zu hecheln und an Handtüchern zu zerren. Das kam mir einfach blöd vor.«
    Ich biß ein großes Stück Sandwich an und nickte, als ob ich wüßte, wovon sie sprach. »Ich war noch nie in Therapie«, murmelte ich.
    »Auch nicht in ‘ner Gruppe ?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Gott, du mußt wirklich neurotisch sein«, sagte sie respektvoll.
    »Na ja, ich kau nicht an den Nägeln und ich mach nicht ins Bett.«
    »Du bist wahrscheinlich der zwanghafte Typ, vermeidest dich festzulegen und solchen Mist. Daddy war ziemlich so einer.«
    »Was für einer?« sagte ich und überging getrost die Anspielung auf meinen Charakter. Es war schließlich nur eine wilde Vermutung.
    »Ach. Du weißt schon. Einer, der immerzu rumgebumst hat. Greg und ich vergleichen jetzt noch unsere Beobachtungen darüber. Mein Doktor sagt, er hätte nur Schmerz damit abgewehrt. Meine Großmama hat ihn manipuliert, daß ihm Hören und Sehen verging, also hat er den Spieß umgedreht und alle andern manipuliert, einschließlich Greg und mir. Und Mama. Und Nikki, und ich ahne nicht mal, wen noch alles. Ich glaube nicht, daß er jemals in seinem Leben irgendwen geliebt hat, außer vielleicht Colin. Zu riskant.«
    Sie aß ihr Sandwich auf und verwandte einige Minuten darauf, sich das Gesicht und die Hände abzuwischen. Dann faltete sie sorgfältig die Papierserviette zusammen.
    »Greg erzählte mir, daß du die Reise zum Saltonsee verpaßt hast«, sagte ich.
    »Du meinst vor Daddys Tod? Ja, das stimmt. Ich hatte die Grippe, aber wirklich schlimm, also blieb ich bei Mama. Sie war toll, brachte eine Streicheleinheit nach der andern. Ich hab in meinem Leben nicht soviel geschlafen.«
    »Wie kam denn der Hund raus?«
    Sie legte die Hände in ihren Schoß. »Bitte?«
    »Bruno. Greg sagte, er sei vor ein Auto gelaufen. Ich wollte nur wissen, wer ihn rausgelassen hat. Hielt sich Mrs. Voss in dem Haus auf, als die Familie fort war?«
    Diane sah mich aufmerksam an, dann schaute sie weg. »Ich glaube nicht. Sie war in Urlaub, glaube ich.« Ihr Blick schweifte zu der Uhr an der Wand hinter mir. »Ich habe ein Seminar« sagte sie. Ihr Gesicht war rot angelaufen.
    »Bist du okay?«
    »Sicher. Alles klar«, sagte sie und las beiläufig ihre Tasche und ihre Bücher zusammen. Sie schien erleichtert, daß sie etwas zu tun hatte. »Ach, fast hätt ich’s vergessen. Ich habe was für Colin, falls du ihn besuchen willst.« Sie hielt eine Papiertüte hoch. »Es ist ein Album, das ich für ihn zusammengestellt habe. Sonst lagen die ganzen Fotos in einer Schachtel.« Sie war jetzt ganz geschäftsmäßig, mit fahrigen

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