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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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und am Ende, mit zitternden Beinen und hämmerndem Herzen, lachte ich, und er vergrub sein Gesicht in meinem Bauch und lachte auch.

    Gegen zwei Uhr früh war er wieder fort. Er mußte am nächsten Tag arbeiten und ich ebenso. Trotzdem vermißte ich ihn, als ich mir die Zähne putzte und mein Ebenbild im Badezimmerspiegel angrinste. Mein Kinn war rot zerkratzt. Meine Haare schienen nach allen Seiten abzustehen. Es gibt nichts Selbstgefälligeres als die Glückwünsche, mit denen man sich überhäuft, wenn man gründlich und virtuos gevögelt worden ist, aber ich war dennoch ein bißchen bestürzt über mich. In der Regel vermeide ich gewissenhaft den persönlichen Kontakt zu jedem, der mit einem Fall zu tun hat. Mein sexuelles Gerangel mit Charlie war töricht, unprofessionell, und theoretisch konnte es gefährlich sein. In irgendeinem kleinen, widerspenstigen Teil meines Kopfes erschien es mir nicht richtig, aber ich mochte seine Bewegungen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich zuletzt einen Mann getroffen hatte, der so erfinderisch war. Meine Reaktion auf ihn war elementare Chemie — wie in ein Schwimmbecken geworfene Natriumkristalle: die Funken sprühen und tanzen lichtergleich über das Wasser. Ich hatte mal einen Freund, der sagte zu mir: »Wo Sex ist, sind wir immer bestrebt, eine Beziehung herzustellen, die ihn verdient.« Daran dachte ich jetzt, denn ich spürte, daß ich das auch bald bei Charlie machen würde — Bande knüpfen, Phantasien spinnen, emotionale Ranken auswerfen wie Reif, der sich um einen Draht windet. Ich mußte mich davor hüten. Der Sex war sehr gut und sehr intensiv, aber die Tatsache blieb bestehen, daß ich noch mitten in einer Untersuchung steckte und er noch nicht von meiner Liste gestrichen war. Ich glaubte zwar nicht, daß unsere körperliche Beziehung mein Urteil über ihn getrübt hatte, aber wie sollte ich das wissen? Ich durfte es wirklich nicht darauf ankommen lassen. Sofern ich nicht nur eine rationale Erklärung für meine Neigung, mich zurückzuhalten, suchte. War ich neuerdings schon so besorgt um mich? Wollte ich in Wirklichkeit nur der Intimität ausweichen? Hätte ich ihn gern auf die Rolle des »möglichen Verdächtigen« abgestellt, um meine eigene Risikoscheu zu rechtfertigen? Er war ein netter Mann — klug, einfühlsam, verantwortungsvoll, attraktiv, scharfsichtig. Was, in Gottes Namen, wollte ich?
    Ich knipste das Licht im Badezimmer aus und machte mein Bett, das eigentlich nur aus einer längsgefalteten Decke auf der Couch bestand. Ich hätte die Bettcouch ausziehen und es richtig machen können — Laken, Kopfkissen, ein ordentliches Nachthemd. Statt dessen zog ich mir das T-Shirt über den Kopf und wickelte mich in die Decke ein. Meine Körperwärme ließ einen sinnlichen Duft zwischen meinen Beinen heraufwehen. Ich knipste die Lampe auf dem Schreibtisch aus und lächelte in der Dunkelheit, bebte in der Erinnerung an die Berührung seines Mundes. Vielleicht war jetzt nicht der Moment, um zu analysieren, dachte ich. Vielleicht war es eher eine Zeit, um nachzudenken und zu verarbeiten. Ich schlief wie eine Tote.

    Am Morgen duschte ich, ließ das Frühstück weg und erreichte um neun das Büro. Ich schloß auf und checkte meinen Auftragsdienst. Con Dolan hatte angerufen. Ich wählte die Polizei von Santa Teresa und ließ mich mit ihm verbinden.
    »Was ist«, bellte er, schon wieder mit der Welt hadernd.
    »Kinsey Millhone hier«, sagte ich.
    »Ach ja? Was wollen Sie?«
    »Lieutenant, Sie hatten mich angerufen!« Ich konnte hören, wie der Groschen fiel.
    »Oh. Stimmt. Ich habe hier einen Laborbericht über diesen Brief. Keine Abdrücke. Nur Schmierflecke, das nützt uns also nichts.«
    »Mist. Was ist mit der Handschrift? Stimmt die überein?«
    »Hinreichend«, sagte er. »Ich habe sie von Jimmy prüfen lassen, und er sagt, sie sei authentisch. Was haben sie sonst noch?«
    »Nichts im Moment. Ich komme aber vielleicht in ein paar Tagen rein und unterhalte mich mit Ihnen, wenn’s recht ist.«
    »Rufen Sie vorher an«, sagte er.
    »Verlassen Sie sich drauf«, erwiderte ich.
    Ich ging raus auf den Balkon und starrte auf die Straße hinunter. Irgend etwas stimmte nicht. Ich war halb überzeugt gewesen, daß der Brief eine Fälschung sei, aber jetzt war er überprüft und seine Echtheit bestätigt worden. Das gefiel mir nicht. Ich ging wieder hinein und setzte mich in meinen Drehstuhl, kippte ihn leicht vor und zurück, lauschte auf sein Knarren. Ich

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