Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
und wenn sich meine Vermutung in bezug auf diesen Brief bestätigte, dann war es möglich, daß Libby und Laurence niemals eine Liebesaffäre miteinander gehabt hatten. Das hieß, daß die Gründe für ihren Tod woanders liegen mußten. Aber wo? Angenommen, sagte ich zu mir, nur mal angenommen, Laurence Fife und Lyle waren in irgend etwas verwickelt. Vielleicht war Libby darauf gestoßen, und Lyle hatte sie beide umgebracht, um sich zu schützen. Vielleicht bekam Sharon Wind davon, und er brachte auch sie um. Ganz plausibel klang es mir in dieser Form zwar nicht, aber nach acht Jahren mußten die schlüssigen Beweise weitgehend verlorengegangen oder beseitigt worden sein. Naheliegende Zusammenhänge mußten sich verflüchtigt haben. Ich warf ein paar Notizen hin und checkte die Liste.
    Als ich zu Charlie Scorsonis Namen kam, empfand ich das gleiche Unbehagen wie zuvor. Ich hatte ihn vor zwei Wochen ja überprüft, noch ehe ich ihn kennenlernte, und demnach war er sauber, doch der Schein kann trügen. So komisch mir auch dabei war, ich hielt es für angebracht zu klären, wo er sich am Abend von Sharons Tod aufgehalten hatte. Ich wußte, er war in Denver gewesen, denn dort hatte ich ihn selbst angerufen, doch über seinen weiteren Weg war ich mir eigentlich nicht sicher. Arlette sagte zwar, er habe Nachricht aus Tucson und dann wieder aus Santa Teresa hinterlassen, aber sie hatte nur sein Wort dafür. Was den Mord an Laurence Fife anging, dazu hatte er die Gelegenheit. Das war von Anfang an ein Fall gewesen, bei dem Motiv und Alibi auf merkwürdige Weise zusammenfielen. Normalerweise ist ein Alibi der Nachweis des Aufenthaltsortes eines Verdächtigen zum Zeitpunkt einer Tat, und es dient als Beweis für seine Unschuld, aber hier spielte es keine Rolle, wo irgend jemand war. Bei einem Giftmord kam es nur darauf an, ob jemand Grund hatte, den Tod eines anderen herbeizuwünschen — Zugang zu dem Gift, Zugang zum Opfer und den Vorsatz zu töten. Daran knabberte ich noch herum. Ich war geneigt, Charlie kurzerhand von meiner Liste zu entfernen, aber das warf eine Frage auf. Glaubte ich wirklich, daß er unschuldig war, oder wollte ich mich einfach von meinem Unbehagen befreien? Ich versuchte an etwas anderes zu denken. Ich versuchte weiterzugehen, aber meine Gedanken kehrten ständig zu der gleichen Frage zurück. Ich glaubte, nicht, daß ich mich klug verhielt. Ich wußte nicht genau, ob ich ehrlich zu mir war. Und plötzlich mißfiel mir der Gedanke, daß ich vielleicht keinen klaren Kopf hatte. Die ganze Situation gab mir ein ungutes Gefühl in den Knochen. Ich schlug seinen Privatanschluß im Telefonbuch nach. Ich zögerte, dann überwand ich mich und wählte. Ich mußte es tun.
    Das Telefon läutete viermal. Ich dachte, er wäre vielleicht in Powers’ Haus am Strand, aber die Nummer hatte ich nicht. Sei fort, sei weit weg, wünschte ich ihm. Er nahm beim fünften Läuten ab, und ich spürte, wie sich mir der Magen drehte. Es aufzuschieben war zwecklos.
    »Tag, hier ist Kinsey«, sagte ich.
    »Ja, hallo«, sagte er sanft. Die Freude in seiner Stimme war unüberhörbar, und ich konnte mir sein Gesicht vorstellen. »Gott, ich hatte gehofft, von dir zu hören. Hast du Zeit?«
    »Nein, eigentlich nicht. Ehm, hör zu, Charlie. Ich finde, ich sollte dich eine Weile nicht sehen. Bis ich die Sache abgeschlossen habe.«
    Das Schweigen war inhaltsschwer.
    »In Ordnung«, sagte er schließlich.
    »Schau, es ist nichts Persönliches«, sagte ich. »Es geht ums Prinzip.«
    »Ich widerspreche ja nicht«, sagte er. »Tu, was du willst. Es ist zu schade, daß du nicht vorher schon an >Prinzipien< gedacht hast.«
    »Charlie, du irrst dich«, sagte ich verzweifelt. »Es kann alles gut ausgehen, und es ist auch kein Beinbruch, aber es hat mich beunruhigt. Sehr. Ich tu so was nicht. Das ist einer meiner Grundsätze. Ich kann mich nicht weiter mit dir treffen, bis ich verstehe, wie diese Geschichte zusammenhängt.
    »Kind, ich habe verstanden«, sagte er. »Wenn du es nicht für richtig hältst, dann hat es sowieso keinen Zweck. Ruf mich an, falls du irgendwann deine Meinung änderst.«
    »Warte«, sagte ich. »Verdammt noch mal, was fällt dir ein? Ich weise dich doch nicht zurück.«
    »Ach, wirklich«, versetzte er ungläubig.
    »Ich wollte nur, daß du Bescheid weißt.«
    »Gut. Jetzt weiß ich Bescheid. Ich danke für deine Aufrichtigkeit.«
    »Ich melde mich, sobald ich kann.«
    »Laß es dir gut gehn«, sagte er, und der Hörer

Weitere Kostenlose Bücher