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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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    »Ich glaube, Sie haben ihn umgebracht.«
    Alles Lebhafte wich aus ihrem Gesicht, als wäre ein Stöpsel gezogen worden. Sie wollte etwas sagen, brachte es aber nicht heraus. Ich konnte sehen, daß ihr Verstand arbeitete, aber so schnell bekam sie nichts zusammen. Sie wand sich, und ich drängte nach.
    »Wollen Sie mir davon erzählen?« sagte ich. Dabei klopfte mir das Herz, und ich merkte, wie sich feuchte Schweißringe unter meinen Armen bildeten.
    Sie schüttelte den Kopf, aber das war alles, was sie zuwege brachte. Sie war wie versteinert. Ihr Gesicht hatte sich verändert, hatte den Ausdruck angenommen, den Menschen im Schlaf haben, wenn sie vor nichts mehr auf der Hut sind. Ihre Augen strahlten dunkel, und zwei leuchtend rosa Flecke traten jetzt auf ihre blassen Wangen, ein clownesker Effekt, als hätte sie bei Neonlicht zuviel Rouge aufgetragen. Dann blinzelte sie aufsteigende Tränen fort, stützte den Kopf in die Faust und sah über mich hinweg, während sie sich bemühte, die Selbstbeherrschung zu bewahren, aber der letzte Schutzwall war durchstoßen, und das Schuldbewußtsein drängte gegen die angeschlagene Fassade an. Ich hatte das schon öfter miterlebt. Die Menschen können soundso lange standhalten, und dann brechen sie zusammen. Im Grunde war sie eine Amateurin.
    »Irgendwie brachte er das Faß zum Überlaufen, und Sie drehten durch«, sagte ich in der Hoffnung, daß ich meine Karten nicht überreizte. »Sie haben gewartet, bis er und Nikki verreist waren, und dann haben sie Dianes Schlüssel benutzt, um in das Haus zu kommen. Sie haben die Oleanderkapseln in das Plastikfläschchen getan, darauf geachtet, daß Sie keine Fingerabdrücke hinterlassen, und dann sind Sie gegangen.«
    »Ich haßte ihn«, sagte sie mit zitterndem Mund. Sie blinzelte, und eine Träne landete auf ihrer Bluse wie ein Regentropfen. Sie holte tief Luft und stieß die Worte rasch hervor: »Er hat mein Leben ruiniert, mir die Kinder genommen, mich ausgeraubt bis aufs Hemd, mich beleidigt, mißhandelt — ach mein Gott, Sie haben keine Ahnung. Das Böse in diesem Mann...«
    Sie ergriff eine Serviette und drückte sie sich an die Augen. Erstaunlicherweise schien Rosie von ihrer Verzweiflung keine Notiz zu nehmen. Sie saß an der Bar, las wahrscheinlich Ann Landers und dachte, die Große Ratlose hätte ihren Gemahl wegen seiner obszönen Anrufe anzeigen sollen, während ein Gast direkt vor ihrer Nase einen Mord gestand. Über den Fernseher zu ihrer Rechten flimmerte die Wiederholung einer Muppets-Show.
    Gwen seufzte, blickte starr auf die Tischplatte. Sie nahm wieder ihr Glas und trank einen großen Schluck Scotch, der sie erschauern ließ. »Ich fand es noch nicht einmal schlimm, abgesehen von den Kindern. Die traf es schwer, und das wunderte mich. Sie waren ohne ihn viel besser dran.«
    »Weshalb die Affäre?« forschte ich.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie und faltete die Papierserviette mal so, mal so. »Ich nehme an, es war meine Rache. Er war so was von selbstgefällig. Ich wußte, er würde nicht widerstehen können. Immerhin hatte ich ihn durch meine Affäre mit einem andern tödlich beleidigt. Das ertrug er nicht. Ich wußte, er würde die wiederhaben wollen, die ihm mal gehört hatte. Es war auch gar nicht so schwer einzufädeln. Er wollte mir zeigen, was mir entgangen war. Das brachte sogar mal einen gewissen Schwung in den Sex. Die Feindseligkeit war so nah an der Oberfläche, daß sie uns beiden auf widerliche Weise Zunder gab. Gott, er ekelte mich an. Aber wirklich. Und ich erzähle Ihnen noch was«, sagte sie rauh. »Ihn einmal umzubringen, das war nicht genug. Ich wünschte, ich könnte ihn noch mal umbringen.«
    Sie blickte mich dabei voll an, und langsam wurde mir die Ungeheuerlichkeit ihrer Worte bewußt.
    »Was ist mit Nikki? Was hat sie Ihnen je getan?«
    »Ich glaubte, man würde sie freisprechen«, sagte sie. »Ich hätte nie gedacht, daß sie ins Gefängnis kommt, und als das Urteil gesprochen war, mochte ich nicht aufstehen und ihren Platz einnehmen. Da war es dann zu spät.«
    »Was also noch?« sagte ich, und mir fiel auf, daß mein Ton gereizt wurde. »Haben Sie auch den Hund getötet?«
    »Damit hatte ich nichts zu tun. Er wurde Sonntag morgens überfahren. Ich fuhr mit Diane dorthin, weil ihr eingefallen war, daß sie ihn draußen gelassen hatte, und weil sie sich deswegen aufregte. Er lag schon auf der Straße. Mein Gott, ich würde doch keinen Hund überfahren«, betonte sie, als sollte

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