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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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kurzangebunden.
    »Wollten Sie nicht mit John sprechen?«
    »Nein, jetzt nicht, aber später mal, ja. Sie waren mir eine große Hilfe, Mrs. Pickett. Danke.«
    »Nun, ich weiß zwar nicht, was ich getan habe, aber es ist sicher gern geschehen.«
    Ich schüttelte ihre Hand und war mir über das verblüffte Staunen bewußt, das mir folgte, als ich ging. Ich stieg in meinen Wagen und blieb dort sitzen. Ich versuchte herauszufinden, was ich jetzt tun sollte. Mein Gott, wie waren sie sichergegangen, daß der Mageninhalt zutraf? Das mußten sie raffiniert angepackt haben. Der Autopsiebericht hatte als Blutgruppe Null Positiv angegeben, den gängigsten Typ, also war das einfach genug gewesen. Marty und Elaine waren fast gleich groß. Es war ja nicht so, daß das Mordopfer total unbekannt gewesen wäre. Jedermann nahm an, daß es Marty war, und die Röntgenbilder der Zähne waren nur benutzt worden, um ihre Identität zu bestätigen. Es gab keinen Grund zur Annahme, daß die tote Frau jemand anders war. Leonard und seine Schwester hatten um neun telefonisch mit ihr gesprochen, und Lily behauptete, Marty hätte aufgelegt, um die Tür zu öffnen. Der Anruf bei der Polizeiwache war ein kleiner Schnörkel, den sich jemand ausgedacht hatte, um die Wirkung zu erhöhen. Mike hatte recht mit der Zeit. An jenem Abend um 20.30 Uhr wurde eine Frauenleiche in einen Teppich gewickelt. Bloß, daß es nicht seine Tante war. Elaine muß einige Zeit vorher erschlagen worden sein, wobei genug von ihrem Kiefer und ihren Zähnen unversehrt gelassen worden war, um eine Identifikation möglich zu machen. So viele Dinge paßten plötzlich zusammen. Wim Floover muß Marty erkannt haben, als sie in Elaines Apartment ging oder herauskam. Offensichtlich waren Marty oder Leonard bei ihm gewesen, bevor er an einem Telefon war.
    Ich ließ den Motor an, fuhr vom Parkplatz herunter und bog links ab. Ich fuhr zur Polizeiwache und parkte gegenüber in einer auf fünfzehn Minuten beschränkten Parkzone. Als ich zur Wache kam, blieb ich am Schalter auf der linken Seite stehen. Hinter dem Schalter war eine Türöffnung, die nach hinten in den Bereitschaftsraum führte.
    Ein Cop in Zivil, den ich noch nie gesehen hatte, sah mich dastehen, als er an der Tür vorbeiging. Er machte halt.
    »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Ich suche Lieutenant Dolan.«
    »Ich schau mal nach. Ich war gerade hinten und habe ihn nicht gesehen.«
    Er verschwand. Ich wartete und schaute über die Schulter zur erkennungsdienstlichen Abteilung. Die schwarze Angestellte war allein dort und tippte wie verrückt. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken. Es war jetzt so klar, wie das alles zusammenpaßte. Marty Grice war nach Florida gefahren und hatte in Elaines Apartment gewohnt. Es war nicht schwierig, sich vorzustellen, was sie dort getrieben hatte. Ein bißchen abgenommen. Sich die Haare neu frisieren und tönen lassen. Keiner da unten kannte sie von früher, also mußte sie sich nicht einmal verstecken. Wahrscheinlich hatte sie sich aufgepeppt, als sie erst einmal Elaines Dollars hatte, um das zu bezahlen. Ich dachte an meine Begegnung mit ihr zurück: das blaugrüne, aufgedunsene Gesicht, das Pflaster über der Nase. Sie hatte keinen Autounfall gehabt. Sie hatte eine kosmetische Operation hinter sich — ein neues Gesicht, das zu ihrer neuen Identität paßte. Sie hatte mir selbst erzählt, sie sei »im Ruhestand« und habe nicht vor, jemals wieder einen Tag ihres Lebens zu arbeiten. Sie und Leonard waren in Schwierigkeiten geraten, und da saß Elaine Boldt mit ihrem Geld wie Dreck und der Neigung, sich etwas dafür zu gönnen. Wie Marty bei dem Anblick gekocht haben mußte! Mord war die ausgleichende Gerechtigkeit, und schwerer Diebstahl sorgte für die Pensionskasse nach der Tat. Nun mußte sie nur abwarten, bis Leonard entlastet war, und die beiden hatten es geschafft. Es war Dolans Fall. Wenn die Mordwaffe auftauchen würde, hätte er wohl genug Beweise, um handeln zu können. Für den Moment konnte ich ihm zumindest erzählen, was passiert war. Ich dachte, es sei nicht sehr klug, das für mich zu behalten.
    Der Zivilbeamte kam zurück. »Er ist für den Rest des Tages weg. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Weg?« fragte ich. Ich schluckte den üblichen Fluch hinunter, aber in Gedanken sagte ich »Scheiße!«
    »Ich werde mich sofort morgen früh bei ihm melden.«
    »Klar. Möchten Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?«
    Ich nahm eine meiner Karten heraus und reichte sie ihm.

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