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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mehr vom Leben gesehen, als er verarbeiten konnte.
    Ich hielt ihm meine Hand hin. »Sind Sie Benedict?«
    »Ja, Ma’am«, sagte er und schüttelte mir die Hand. »Sie sind Mrs. Millhone, nehme ich an. Sehr erfreut. Wir sind Ihnen sehr dankbar.« Sein Handschlag war fest, aber kurz. Er nickte zu Tillies Apartmenttür hinüber, die offenstand. »Sie können hineingehen, wenn Sie wollen. Officer Redfern ist bei ihr und nimmt ein paar Einzelheiten auf.«
    Ich dankte ihm und ging in das Apartment. Ich sah nach rechts. Das Wohnzimmer sah aus, als hätte es den Weg eines Tornados gekreuzt. Ich blieb stehen und sah es einen Moment an. Vandalismus an einem Ort wie diesem? Ich ging in die Küche. Tillie saß am Tisch und hatte die Hände zwischen die Knie geklemmt. Die Sommersprossen stachen aus ihrem blassen Gesicht hervor wie rote Chilistückchen. Eine uniformierte Polizistin, vielleicht vierzig Jahre alt, saß ebenfalls am Tisch und machte sich Notizen. Sie hatte kurz geschnittenes blondes Haar und ein Muttermal auf der linken Wange, das aussah wie Rosenblätter. Ihr Namensschild stellte sie als Isabelle Redfern vor. Sie sprach mit leiser, ernster Stimme zu Tillie, wie jemand, der einen Selbstmörder überzeugen will, nicht zu springin.
    Als Tillie mich sah, strömten ihr die Tränen aus den Augen, und sie begann zu zittern, als hätte ihr mein Erscheinen die stillschweigende Erlaubnis gegeben, sich gehenzulassen. Ich kniete neben ihr nieder und nahm ihre Hände. »Kommen Sie, es ist alles in Ordnung«, tröstete ich sie. »Was ist passiert?«
    Sie versuchte zu sprechen, aber erst mal kam nichts außer einem quietschenden Geräusch heraus, als hätte jemand auf eine Gummiente getreten. Schließlich schaffte sie es, eine Antwort herauszustoßen. »Jemand ist eingebrochen. Ich wachte auf, und da stand diese Frau in meiner Zimmertür. Mein Gott, ich dachte, mir bleibt das Herz stehen. Ich konnte mich nicht mal bewegen, so entsetzt war ich. Und dann... und dann fing sie an... es war so ein zischendes Geräusch und sie rannte ins Wohnzimmer und stellte alles auf den Kopf...« Tillie hielt sich ein Taschentuch vor Mund und Nase und schloß die Augen. Officer Redfern und ich wechselten einen Blick. Wirres Zeug. Ich legte Tillie meinen Arm um die Schulter und rüttelte sie ein bißchen.
    »Kommen Sie, Tillie«, meinte ich, »jetzt ist es vorbei, und Sie sind in Sicherheit.«
    »Ich hatte solche Angst. Ich hatte solche Angst. Ich dachte, sie wollte mich umbringen. Sie war wie eine Wahnsinnige, wie eine total verrückte Person, keuchte und zischte und raste herum. Ich schlug die Schlafzimmertür zu, schloß sie ab und wählte 911. Dann weiß ich nur noch, daß es ruhig wurde, aber ich öffnete die Tür nicht mehr, bis die Polizei eintraf.«
    »Das ist großartig. Sie haben sich großartig verhalten. Ich weiß, daß Sie Angst hatten, aber Sie haben genau das Richtige getan, und jetzt ist alles in Ordnung.«
    Die Polizistin lehnte sich hinüber. »Haben Sie die Frau genauer gesehen?«
    Tillie schüttelte den Kopf und fing wieder an zu zittern.
    Diesmal nahm die Polizistin Tillies Hand. »Nehmen Sie mal ein paar tiefe Atemzüge. Entspannen Sie sich einfach. Es ist alles vorbei, und alles ist wieder in Ordnung. Atmen Sie tief durch. Los. Haben Sie Tranquilizer oder Alkohol im Haus?«
    Ich stand auf und ging zu den Küchenschränken. Ich öffnete hier und da eine Tür, aber es schien kein Alkohol da zu sein. Ich sah eine Flasche mit Vanille-Extrakt und goß den Inhalt in ein Glas. Tillie kippte es hinunter, ohne überhaupt hinzusehen.
    Sie begann tiefer zu atmen und sich zu beruhigen. »Ich habe sie noch nie in meinem Leben gesehen«, sagte sie in einem beherrschteren Ton. »Sie war verrückt. Eine Wahnsinnige. Ich weiß nicht mal, wie sie hereingekommen ist.« Sie machte eine Pause. Die Luft roch nach Keksen.
    Die Polizistin sah von ihren Notizen auf. »Mrs. Ahlberg, es gab keinerlei Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Es muß jemand gewesen sein, der einen Schlüssel hatte. Haben Sie irgendwann einmal jemandem einen Schlüssel gegeben? Vielleicht jemandem, der aufs Haus aufpaßte? Jemandem, der in Ihrer Abwesenheit die Blumen gießen sollte?«
    Zuerst schüttelte Tillie den Kopf. Dann hielt sie inne und warf mir einen Blick zu. Ihre Augen waren voll Bestürzung.
    »Elaine. Sie ist die einzige, die jemals einen hatte.« Sie wandte sich der Polizistin zu. »Meine Nachbarin aus dem Apartment direkt über meinem. Ich gab ihr einen

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