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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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derselben Nacht, May. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Es kann nicht da gewesen sein, weil er nicht zu Hause war, und er ist derjenige, der so etwas machen würde. Einbrecher hängen keine Bilder auf.«
    Er sah zu mir herüber und drehte den Zeigefinger an der Schläfe herum, um anzudeuten, daß sie wirr redete.
    »Klopfte und klopfte«, sagte sie, aber murmelte es nur noch zu sich selbst, während sie weghumpelte und die Gehhilfe vor sich herschob wie einen Kleiderständer.
    »Keine ihrer Körperfunktionen ist geblieben«, sagte er zu mir über die Schulter hinweg. »Macht sich dauernd in die Hose. Ich mußte jedes einzelne Möbelstück aus dem Eßzimmer herausnehmen und ihr Bett reinstellen, genau da, wo das Büfett gestanden hat. An dem Tag, an dem ich sie heiratete, habe ich ihr gesagt, daß ich sie überlebe. Sie geht mir auf die Nerven. Das war damals schon so. Ich könnte genausogut mit einem Stück Fleisch leben.«
    »Wer ist an der Tür?« beharrte sie.
    »Niemand. Ich rede mit mir selbst«, erwiderte er.
    Er schlurfte hinter ihr her in den Flur. Seine Fürsorge hatte etwas Zärtliches, trotz seiner Art, über sie zu sprechen. Auf jeden Fall schien sie nichts von seinen Ärgereien oder den kleinen Tyranneien zu bemerken. Ich fragte mich, ob er wohl dagestanden und die sechsundvierzig Minuten gestoppt hatte, die sie mit der Besenschranktür kämpfte. Enden alle Ehen so? Wenn ich alte Paare händchenhaltend die Straße hinunterzockeln sah, habe ich ihnen immer mit diesem leicht verklärten Blick nachgeschaut, aber vielleicht ist es doch überall der gleiche Machtkampf hinter den geschlossenen Türen. Ich war selbst zweimal verheiratet, und beide Male endete es mit Scheidung. Manches Mal habe ich deshalb mit mir gehadert, aber jetzt bin ich nicht mehr sicher. Vielleicht bin ich dabei gar nicht so schlecht weggekommen. Ganz im Vertrauen: ich werde lieber allein alt als in Gesellschaft von irgend jemandem, den ich bisher kennengelernt habe. Ich erlebe mich nicht als einsam, unvollständig oder unbefriedigt, doch ich rede auch nicht oft darüber. Es scheint Leute abzustoßen — insbesondere Männer.

8

    Mr. Snyder kam ins Wohnzimmer zurück und ließ sich schwerfällig auf die Couch fallen. »Also dann.«
    »Was wissen Sie über das Feuer nebenan?« fragte ich. »Ich habe das Haus gesehen. Es sieht schrecklich aus.«
    Er nickte und setzte sich zurecht, als ginge es um ein Fernsehinterview. Den Blick hatte er geradeaus vor sich gerichtet. »Nun, ja, die Feuerwehrwagen weckten mich abends um zehn. Zwei Stück. Ich schlafe sowieso nicht gut, und ich hörte, daß die Sirenen ganz hier in der Nähe waren, also stand ich auf und ging hinaus. Von überall her kamen die Nachbarn angerannt. Da kam schwarzer Rauch aus dem Haus, so was haben Sie noch nicht gesehen. Die Feuerwehrmänner kämpften sich den Weg ins Haus frei, und kurz darauf fraßen die Flammen schon die vordere Veranda. Die ganze Rückseite wurde gerettet. Sie fanden Marty, das war Leonards Frau, auf dem Boden liegend. Es muß genau an dieser Stelle gewesen sein«, sagte er und deutete Richtung Eingangstür. »Ich habe sie selbst nicht gesehen, aber Tillie sagt, sie war von Kopf bis Fuß verkohlt. Nur noch ein Bündel Stümpfe, wie ein Stück Holz.«
    »Oh, ja? Tillie hat das mir gegenüber gar nicht erwähnt.«
    »Sie hat den Rauch gesehen und gleich angerufen. Neun-eins-eins. Ich schlief meinen gesunden Schlaf. Wachte auf, als die Feuerwehrwagen die Straße hochgerast kamen. Ich dachte, sie würden direkt an uns vorbeifahren, aber dann sah ich die Lichter, und ich stand auf, zog einen Bademantel über und ging hinaus. Der arme Leonard war nicht mal zu Hause gewesen. Er kam, als das Feuer gerade gelöscht war. Brach sofort auf der Straße zusammen, als er hörte, daß sie tot war. Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so fertig war. Meine Frau, May, die wachte nicht mal auf. Sie hatte eine Pille genommen, außerdem ist sie sowieso taub wie ein Besen. Haben Sie ja selbst gesehen. Wenn das Feuer hier ausgebrochen wäre, wär Schmorfleisch aus ihr geworden.«
    »Wie spät war es, als Mr. Grice nach Hause kam?«
    »Ich weiß nicht genau. Fünfzehn, zwanzig Minuten, nachdem die Feuerwehr gekommen war, soweit ich mich erinnere. Er war mit seiner Schwester zum Essen ausgegangen, wie ich hörte, und er kommt nach Hause und findet seine eigene Frau tot vor. Seine Knie gaben nach, und dann trat er ab. Mitten auf dem Gehsteig, gar nicht weit von mir entfernt.

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