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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hin. »Mein Name ist Kinsey Millhone. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich? Ich versuche, Elaine Boldt aufzuspüren, die dort in der großen Wohnanlage wohnt, und Tillie Ahlberg riet mir, mit Ihnen zu sprechen. Können Sie mir behilflich sein?«
    Mr. Snyder löste die Sicherung an der Tür. »Ich werde tun, was ich kann. Kommen Sie herein.« Er hielt die Tür auf, und ich trat ein. Im Haus war es so düster wie im Innern einer Konservenbüchse, und es roch nach gekochtem Sellerie.
    Aus dem hinteren Teil des Hauses rief eine schrille Stimme: »Was ist los? Wer ist denn da, Orris?«
    »Jemand, den Tillie geschickt hat.«
    »Wer?«
    »Warten Sie einen Moment«, bat er mich, »sie ist taub wie ein Stück Rasen. Setzen Sie sich.«
    Mr. Snyder polterte nach hinten. Ich ließ mich auf einem gepolsterten Stuhl mit hölzernen Armlehnen nieder. Der Stoff war ein dunkler, kastanienbrauner Plüsch mit einem reliefartigen Muster. Es stellte eine unbestimmte Pflanzenart dar, die ich in der Natur noch nie gesehen hatte. Der Sitz war rissig, überall waren scharfe Kanten, und er roch nach Staub. Es gab eine passende Couch dazu, die mit Zeitungen vollgepackt war; ferner einen niedrigen Teetisch aus Mahagoni mit einer ovalen Glasplatte, die aber kaum noch sichtbar war, weil so viel Zeug oben drauf lag: eselsohrige Taschenbücher, Plastikblumen in einer Keramikvase, die geformt war wie zwei sich umarmende Mäuse, eine Bronzeversion der Betenden Hände, sechs Bleistifte mit abgekautem Radiergummi, Pillendöschen und ein Becher, der offensichtlich heiße Milch enthalten hatte, wovon ein spitzenartiges Muster auf dem Glas zeugte. Außerdem stand da ein unerklärlicher Stapel Zellophan verpackter Pfannkuchen. Ich beugte mich vor und blinzelte ihn an. Es war eine Kerze. Mr. Snyder hätte den gesamten Tisch hinausstellen und als Haushaltsauflösung verkaufen können.
    Vom hinteren Ende des Hauses konnte ich seine erbosten Erklärungen an seine Frau hören. »Das ist niemand, der uns etwas verkaufen will«, bellte er. »Es ist eine Frau, die Tillie hergeschickt hat, und sie sagt, sie sucht Mrs. Boldt. Boldt!! Diese Witwe, die über Tillie wohnt. Die, die manchmal mit Leonard und Martha Karten gespielt hat.«
    Es gab einen schwachen Zwischenruf, dann wurde seine Stimme leiser.
    »Nein, du mußt nicht aufstehen! Bleib liegen. Ich mache das schon.«
    Kopfschüttelnd und mit geröteten Wangen kehrte er zurück. Sein Oberkörper ging nahtlos in die beleibte Taille über. Er mußte die Hose unter dem großen Bauch mit einem Gürtel festhalten, und die Hosenbeine schlotterten ihm um die Knöchel. Nervös zupfte er daran herum, offenbar aus Überzeugung, er würde sie verlieren, wenn er nicht aufpaßte. Er trug Pantoffeln, aber keine Socken, und die Haare hatten sich von den Knöcheln abgescheuert, die dünn und weiß wie Suppenknochen waren.
    »Machen Sie doch das Licht da an«, forderte er mich auf. »Sie knausert gern mit Strom. Die meiste Zeit sehe ich überhaupt nichts.«
    Ich beugte mich zu der Stehlampe und zog an der Kette. Eine Vierzig-Watt-Birne leuchtete auf und summte leise, aber dadurch wurde es nicht viel heller. Ich hörte ein gleichmäßiges Schlagen und Schlurfen im Flur.
    Mrs. Snyder erschien. Sie schob ein Laufgestell vor sich her. Sie war klein und zerbrechlich, und ihr Kiefer arbeitete unaufhörlich. Starr blickte sie auf den Holzfußboden, auf dem ihre Füße ein klebriges Geräusch beim Gehen hinterließen, als wäre der Boden zwar versiegelt, aber niemals richtig gereinigt worden. Sie blieb stehen und hielt sich mit zitternden Händen an ihrer Gehhilfe fest. Ich stand auf und hob die Stimme.
    »Möchten Sie sich hierhin setzen?« fragte ich sie.
    Sie suchte mit wässerigen Augen die Wand ab, um die Geräuschquelle auszumachen. Ihr Kopf war winzig wie ein kleiner Kürbis, der zu lange herumgelegen hatte und nun durch innere Fäulnis verschrumpelte. Ihre Augen waren wie schmale, eingefallene Vs, und ein Zahn stand wie ein Kerzendocht aus ihrem Unterkiefer hervor. Sie wirkte verwirrt.
    »Was?« sagte sie, aber in der Frage schwang ein hoffnungsloser Klang. Vermutlich wurde ihr nicht mehr sehr oft geantwortet.
    Snyder winkte mir ungeduldig zu. »Es geht ihr gut. Lassen Sie sie einfach in Ruhe. Der Doktor meint sowieso, sie muß öfter auf die Beine kommen«, meinte er.
    Ich sah ihr besorgt zu. Sie stand weiterhin da und wirkte durcheinander und erschrocken wie ein Baby, das zwar gelernt hat, sich an den Stäben seines

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