Kinsey Millhone 02- In aller Stille
seitdem nicht mehr gesehen. Ich denke immer noch, daß es da eine Verbindung geben muß. Ich hatte die Hoffnung, du würdest mir von einer richtig großen gültigen Police erzählen.«
»Die Cops hatten die gleiche Idee. Dein Kumpel Lieutenant Dolan hat tagelang praktisch auf meinem Schoß gesessen. Ich habe immer gesagt, >Vergeßt es! Der Typ ist fertig. Er wird sich keinen Cent mehr einfangen.< Vermutlich habe ich ihn letztendlich überzeugt, weil ich seitdem nichts mehr von ihm gehört habe. Was denkst du, daß Grice und die Puppe von nebenan unter einer Decke steckten?«
»Ja, das ging mir durch den Kopf. Ich habe ihn noch nicht getroffen, und ich habe keine Ahnung, ob ein Verhältnis zwischen den beiden bestanden haben könnte, aber es sieht verdächtig aus. Nach dem, was man mir erzählte, hat sie die Stadt abrupt verlassen, und sie war aufgeregt. Meine erste Vermutung war, daß sie vielleicht etwas gesehen hatte und wegfuhr, um nicht in die Sache hineingezogen zu werden.«
»Vielleicht.« Vera klang unschlüssig.
»Aber du glaubst es nicht.«
»Ich schau mir einfach seine Situation an. Wenn der Mann seine Frau aus Spaß und Profit umgebracht hat, dann war das sicher der falsche Weg. Warum hätte er die Police so herunterkommen lassen sollen? Wenn er schlau gewesen wäre, hätte er den Nennwert vor zwei, drei Jahren hinaufgesetzt, genügend Zeit verstreichen lassen, damit es nicht auffällig wirkte, und dann... zack, seine Frau ist tot und er kassiert. Wenn er sie ermordet hat, ohne Geld dabei herauszuschlagen, ist er ein Idiot.«
»Sofern er sie nicht aus dem Weg räumen wollte. Vielleicht war das alles, was ihn interessierte. Vielleicht war es eine List, die Police verfallen zu lassen.«
»Na, hör mal, wie soll ich das wissen? Ich bin nicht bei der Mordkommission.«
»Ich auch nicht. Ich versuche nur, herauszufinden, warum diese Frau verschwunden ist, und wo sie hingegangen sein könnte. Selbst wenn du recht hast, und Grice hat nichts damit zu tun, könnte sie trotzdem noch etwas beobachtet haben. Diese Einbruchsgeschichte hört sich so unsagbar perfekt an.«
Vera lächelte zynisch. »Verdammt, vielleicht hat sie es selbst getan.«
»Mein Gott, du bist noch mißtrauischer als ich.«
»Na ja, willst du die Nummer von Grice? Ich habe sie irgendwo hier.« Vera hielt inne, um den letzten Rest ihrer Zigarette in die Colaflasche zu werfen. Als die Glut mit dem Schluck übriggebliebener Cola in Berührung kam, gab es einen kurzen Zischlaut. Sie zog eine Akte unter dem Stapel hervor und fand die Telefonnummer und die Adresse.
»Danke.«
Sie sah mich forschend an. »Hast du Interesse an einem arbeitslosen Raumfahrtingenieur? Er hat Knete. Er hat irgendein kleines Dingsbums erfunden, das nun überall in den Satelliten benutzt wird.«
»Wie kommt’s, daß du ihn nicht willst?« fragte ich. Vera neigte dazu, ihre Abgelegten wie Gastgeschenke anzubieten.
Sie verzog das Gesicht. »Eine Zeitlang war er okay, aber jetzt ist er auf dem Gesundheitstrip. Hat angefangen, Algenpillen zu schlucken. Ich will keinen Mann küssen, der den Abschaum des Wassers ißt. Ich dachte, dir würde das vielleicht nichts ausmachen, weil du doch so sauber lebst. Vielleicht könntet ihr zwei zusammen joggen und getrocknete Seetangkekse knabbern. Wenn du Interesse hast, gehört er dir.«
»Du bist zu gut zu mir«, antwortete ich. »Ich werde die Augen offenhalten. Möglicherweise treffe ich mal eine, die zu ihm paßt.«
»Irgendwie bist du bei Männern zu wählerisch, Kinsey«, sagte sie tadelnd.
» Ich bin wählerisch?! Und was ist mit dir?«
Vera steckte sich eine weitere Zigarette zwischen die Zähne, und ich beobachtete, wie sie ein kleines goldenes Feuerzeug entzündete, bevor sie weitersprach.
»Ich denke, Männer sind wie Pralinen. Ich möchte einen kleinen Biß in jeden machen und dann weitergehen, bevor die ganze Schachtel alt wird.«
9
Inzwischen war es halb zwei, und soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich noch nicht zu Mittag gegessen. Ich fuhr zu einem Schnellrestaurant, parkte und ging hinein. Ich hätte meine Bestellung auch einer elektronischen Kellnerin zubrüllen und dann im Auto während der Fahrt essen können, aber ich wollte zeigen, daß ich Stil besaß. Für einen Dollar und neunundsechzig Cents schlang ich einen Cheeseburger, Pommes frites und eine Cola hinunter und befand mich nach genau sieben Minuten wieder auf der Straße.
Das Haus, in dem Leonard Grice wohnen sollte, lag in einem schäbigen
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