Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Haare, einen festen Blick. Seine Schultern waren gerundet, wahrscheinlich aufgrund seiner Rückenprobleme, aber das erweckte den Eindruck von etwas Schwachem und Entschuldigendem in seinem Charakter. Ich fragte mich, ob Elaine Boldt ihn anziehend gefunden hatte. Könnte sie zwischen die beiden getreten sein?
Ich stellte das Bild zurück und suchte mir einen Weg die Treppen hinunter. Als ich den Flur entlang zur Küche ging, bemerkte ich eine angelehnte Tür, die ich sachte aufstieß. Vor mir gähnte der Keller wie eine große schwarze Grube. Scheiße! Wenn ich gründlich sein wollte, mußte ich ihn untersuchen. Ich schnitt mir selbst eine Grimasse und ging hinaus zu meinem Wagen, um die Taschenlampe aus dem Handschuhfach zu holen.
13
Die Kellertreppe war intakt. Offensichtlich hatte man das Feuer unter Kontrolle gehabt, bevor es bis hierher vordringen konnte. Die Schäden in den oberen Räumen schienen von einer brennbaren Flüssigkeit verursacht worden zu sein, die zumindest für Oberflächenverbrennungen im ganzen Haus gesorgt hatte. Der Strahl meiner Taschenlampe durchdrang die Dunkelheit und erleuchtete einen schmalen Gang voller Sachen, die ich lieber nicht anfassen wollte. Ich erreichte den Fuß der Treppe. Die Decke war ziemlich niedrig. Das Haus war über vierzig Jahre alt, und das Fundament war naß und von Spinnen bevölkert. Die Luft war undurchlässig wie in einem Treibhaus, nur daß hier unten alles tot war und einen sumpfigen Geruch von Feuer und Feuchtigkeit, Verlassenheit und Verwesung absonderte.
Ich leuchtete mit der Lampe die Balken entlang und suchte sie bis zu dem Loch ab, durch welches das Tageslicht einfiel. War der Fußboden durchgebrannt und die Leiche in den Keller gefallen? Ich ging näher heran und streckte den Hals vor, um besser sehen zu können. Für mich sahen die Ränder des Lochs herausgeschnitten aus. Vielleicht hatte der Feuerwehrexperte Proben der Dielen genommen, um Labortests durchzuführen. Zu meiner Linken sah ich den Heizungskessel, ein stummer, flacher, grauer Buckel, von dem aus rußige Leitungen in alle Richtungen abgingen. Der Boden bestand aus festgetretener Erde und rissigem Beton, und der ganze Raum stand voller Plunder. Farbdosen und alte Fensterscheiben waren unter der Treppe gestapelt. In der Ecke gab es ein uraltes verzinktes Waschbecken, dessen Rohre weggerostet waren.
Ich ging an der Wand entlang und stöberte mit der Lampe in Lücken herum, wo achtbeinige Kreaturen entsetzt vor mir wegrannten. Später war ich froh, daß ich so gewissenhaft war, aber in dem Moment wollte ich nur noch so schnell wie möglich da herauskommen. Ein leeres Haus scheint immer Geräusche zu machen, die einen an einen Axtmörder denken lassen, der auf der Suche nach einem Opfer durch die Räumlichkeiten schleicht. Ich richtete die Taschenlampe auf die gegenüberliegende Wand, an der eine Treppe das kleine Stück zu den verriegelten Doppeltüren hinaufführte, die auf den Seitenhof hinausgingen. Obwohl Tageslicht schräg durch die Risse fiel, drang der Geruch frischer Luft nicht so weit herab. Ich wußte, daß die Doppeltüren von außen mit Schlössern versehen waren, aber das Holz war alt und morsch und schien nicht sehr stabil. Nach dem, was Lily Howe gesagt hatte, hatte der Einbrecher sich gar nicht erst mit Aufbrechen und Hineinkommen aufgehalten. Er war einfach zur Vordertür gegangen und hatte geläutet. Hatten sie gekämpft? War er in Panik geraten, als sie die Tür öffnete, und hatte sie sofort getötet? Der Eindringling konnte natürlich auch eine Frau gewesen sein, besonders wenn die Waffe tatsächlich ein Baseballschläger gewesen war. Frauen sind, seit sie an Olympischen Spielen teilnehmen, im Umgang mit Waffen aus dem sportlichen Bereich sehr geschickt geworden; Tod durch Diskus, Speer, Kugel, Pfeil und Bogen, Hockeypuck... unendliche Möglichkeiten, sollte man meinen.
Ich ging zur Treppe zurück und zitterte unwillkürlich angesichts der Dunkelheit in meinem Rücken. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und hätte mich beinah selbst ausgeknockt, als ich gegen den Querbalken knallte. Laut vor mich hin fluchend, stürzte ich aus dem Keller und wieder in den Flur, als wäre der Teufel hinter mir her. Etwas Federartiges streifte mein Auge, und als mir klar wurde, daß es sich um einen zierlichen Tausendfüßler handelte, der sich an mir niederließ, machte ich einen dieser unregelmäßigen Quickdance-Schritte und bürstete an meinem Hemd herum, als stünde ich plötzlich in
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