Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Flammen. Mensch, was man nicht alles für Geld tut, dachte ich wütend. Ich ging zur Hintertür hinaus, verschloß sie hinter mir und setzte mich auf die Verandastufen. Schließlich beruhigte sich mein Atem, aber ich brauchte noch einige Minuten, um meine Haltung wiederzugewinnen.
In der Zwischenzeit hatte ich Gelegenheit, den Hof zu untersuchen. Ich weiß nicht, wonach ich suchte, oder was ich nach einem halben Jahr zu finden glaubte. Es gab nur überwucherte Büsche und Gräser; ein kleiner, durch Wassermangel verkrüppelter Orangenbaum hing voller reifer Früchte, die braun wurden, weil sie niemand pflückte. Die Hütte war eines dieser vorfabrizierten Metalldinger, die man über den Sears-Katalog bestellen und überall aufstellen kann. Verschlossen war sie mit einem richtig schönen, fetten Vorhängeschloß, das ziemlich stabil aussah. Ich ging quer über den Hof, um es mir genauer anzusehen. Es war doch nur ein einfaches Sicherheitsschloß, das ich bestimmt in wenigen Minuten aufbekommen würde. Doch ich hatte weder meinen kleinen zweiköpfigen Dietrich dabei, noch war ich begeistert von der Vorstellung, am hellichten Tage dazustehen und an einem Schloß herumzufingern. Besser wäre es, nach Sonnenuntergang wiederzukommen und nachzusehen, was Grice oder sein Neffe darin aufbewahrten. Mein Tip: alte Gartenmöbel. Aber man kann ja nie wissen.
Ich brachte den Hausschlüssel zu Snyders zurück. Dann stieg ich in meinen Wagen und fuhr Richtung Büro. Ich ging hinein und machte eine Kanne Kaffee. Die Post war noch nicht da, und auf dem Band des Anrufbeantworters waren auch keine Mitteilungen.
Ich öffnete die Schiebetüren und trat auf den Balkon hinaus. Wo zum Teufel steckte Elaine Boldt? Und wo war Elaine Boldts Miezekätzchen? Ich wußte nicht mehr, was ich tun oder wo ich noch suchen sollte. Ich tippte einen Vertrag, den Julia Ochsner unterzeichnen sollte, und legte ihn in meinen Ausgangskorb. Als der Kaffee fertig war, goß ich mir eine Tasse ein, setzte mich in meinen Schaukelstuhl und schaukelte. Wenn man zweifelt, so dachte ich, ist es am besten, auf Routine zurückzugreifen.
Ich führte ein Ferngespräch mit einer Tageszeitung in Boca Raton und ein weiteres mit einer in Sarasota und gab jeweils eine Kleinanzeige für die Sparte »Persönliches« auf: »Wer weiß etwas über den Aufenthaltsort von Elaine Boldt, weiblich, weiß, 43 Jahre alt...« etc. »Bitte melden bei...« mit meinem Namen, Adresse und Telefonnummer und dem Angebot, per R-Gespräch zu telefonieren.
Ich kam mir sehr produktiv vor. Was sonst noch? Ich schaukelte noch ein bißchen und rief dann Mrs. Ochsner an. Sie ging mir sowieso schon im Kopf herum.
»Hallo?« meldete sie sich, als sie nach langer Zeit abnahm. Ihre Stimme zitterte, hatte aber einen erwartungsvollen Klang; als könnte sie trotz ihrer achtundachtzig Jahre noch jemand anrufen, und dann würde irgend etwas geschehen. Ich hoffte, ich könnte mich auch immer so fühlen. Im Moment war ich nicht sehr optimistisch.
»Tag, Julia. Hier ist Kinsey aus Kalifornien.«
»Einen Moment, Liebes, ich will eben den Fernseher leiser stellen. Ich schaue mir gerade mein Programm an.«
»Soll ich später noch mal anrufen? Ich möchte Sie nicht stören.«
»Nein, nein. Ich möchte lieber mit Ihnen sprechen. Warten Sie.«
Einige Zeit verging, und ich hörte, wie die Lautstärke des Hintergrundgeräusches zur Stille erstarb. Vermutlich schlich Julia so schnell sie konnte zum Telefon zurück. Ich wartete. Schließlich nahm sie den Hörer wieder auf. »Ich habe das Bild noch an«, sagte sie außer Atem, »aber aus dieser Entfernung sieht alles verschwommen aus. Wie geht es Ihnen?«
»Zur Zeit bin ich frustriert«, erwiderte ich. »Ich weiß nicht mehr weiter; doch ich wollte Sie nach Elaines Kater fragen. Ich nehme nicht an, daß Sie Mingus im letzten halben Jahr gesehen haben, oder?«
»Du lieber Gott, nein. Ich habe nicht mal an ihn gedacht. Wenn sie fort ist, muß er wohl auch verschwunden sein.«
»Tja, sieht so aus. Die Hauswartsfrau hier sagt, als Elaine an jenem Abend fuhr, habe sie so etwas wie einen Katzenkorb dabeigehabt. Also, wenn sie tatsächlich nach Florida geflogen ist, ist anzunehmen, daß sie ihn bei sich hatte.«
»Ich bin bereit, zu schwören, daß er genausowenig wie sie jemals hier ankam, aber ich könnte bei Tierärzten und -heimen hier in der Gegend nachfragen«, schlug Julia vor. »Vielleicht hat sie ihn aus irgendeinem Grund in Pflege gegeben.«
»Würden Sie das
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