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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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fünf verfallene Stufen zu der kleinen Veranda hinauf. Die hintere Tür hatte ein großes Glasfenster in der oberen Hälfte, und ich konnte durch geraffte Vorhänge, die nun schmuddelig waren und schief hingen, in die Küche sehen.
    Ich öffnete die Tür und ging hinein. Dieses eine Mal hatte ich Glück. Der Boden war schuttbedeckt, aber die Möbel standen noch immer an ihrem Platz; ein schmutziger Küchentisch, umgefallene Stühle. Ich ließ die Tür hinter mir offen und sah mich um. Auf dem Tresen stand Geschirr, und durch eine offene Speisekammertür waren Regale mit Lebensmittelkonserven sichtbar. Wie immer in solchen Situationen fühlte ich einen leichten Schauer von Unwohlsein.
    Das Haus roch intensiv nach verbranntem Holz, und eine dicke Rußschicht lag auf allen Gegenständen. Die Küchenwände waren grau vom Rauch, und meine Schuhe machten ein knirschendes Geräusch, als ich durch den Flur lief. Unter meinen Füßen wurden die Glasscherben zu zuckerähnlichen Kristallen zermalmt. Soweit ich das beurteilen konnte, war das Innere von Grices Haus genauso angelegt wie das der Snyders nebenan. Das, was ich für den Eßraum hielt, konnte ich gleich hinter der Küche ausmachen; dazwischen war eine geschwärzte Schwingtür. Das mußte das Gegenstück zu dem Raum in Snyders Haus sein, den Orris nun zu einem Schlafzimmer für seine Frau umgestaltet hatte. Am Flur lag ein Gästebad, das nur eine Toilette und ein Waschbecken hatte. Das alte Linoleum war gewölbt und verzogen. Darunter zeigten sich schwarze Fußbodendielen. Das Fenster im Flur war jetzt zerbrochen, aber es führte auf einen schmalen Fußweg zwischen den beiden Häusern hinaus und direkt zu May Snyders umgestaltetem Schlafzimmer. Ich sah sie genau, wie sie auf ihrem Krankenbett lag, das zu einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel hochgestellt war. Sie schien zu schlafen und sah unter der weißen Bettdecke klein und verschrumpelt aus. Ich wandte mich vom Fenster ab und ging den Flur hinunter zum Wohnzimmer.
    Das Feuer hatte die Farbe aus allen Sachen gelaugt; das Ganze sah jetzt aus wie eine Schwarz-Weiß-Fotografie. Ein verkohltes Muster — wie dunkle Streifen einer Alligatorhaut — bedeckte Tür- und Fensterrahmen. Noch deutlicher wurde die Zerstörung, als ich in den vorderen Teil des Flauses kam. Als ich an der Treppe vorbeiging, die zu dem halben oberen Stockwerk führte, konnte ich sehen, wo die Flammen Stufen und Teile des hölzernen Geländers gefressen hatten. Die Tapete im Treppenaufgang war zerfetzt und verschmiert wie eine alte Schatzkarte.
    Ich ging weiter und versuchte mich zurechtzufinden. An der Eingangstür gab es eine ominöse Stelle mit fehlenden Dielenbrettern, wo man wohl Marty Grices Leiche gefunden hatte. Flammen hatten die Wände verzehrt und Rohre und verkohlte Balken offengelegt. Auf dem Boden hier und bis in den Flur zurück und die Treppe hinauf gab es unregelmäßig verbrannte Spuren, wo irgendeine brennbare Flüssigkeit vergossen worden war. Ich ging an dem klaffenden Loch vorbei und schaute in das Wohnzimmer. Es sah aus, als wäre es mit avantgardistischen »Möbelarbeiten« aus Braunkohle-Briketts ausgestattet. Zwei Stühle und eine Couch standen zwar immer noch in der üblichen Anordnung, aber das Feuer hatte die Polsterung bis auf die nackten Sprungfedern abgenagt. Alles, was von dem Teetischchen übriggeblieben war, war ein verbranntes Gestell.
    Ich ging zur Treppe zurück und stieg vorsichtig hinauf. Das Feuer hatte das Schlafzimmer in wunderlichen Häppchen verzehrt; ein Stapel Taschenbücher war unberührt geblieben, während die Fußbank daneben fast total verschwunden war. Das Bett war noch gemacht, aber der Raum war von den Feuerwehrschläuchen unter Wasser gesetzt worden und roch nun nach faulender Teppichfaser, durchgeweichter Tapete, schimmelnden Bettdecken und verbrannter Kleidung. Hier und da kamen Klumpen der Isolation durch die vom Feuer freigelegten Putzträger. Auf dem Nachttisch stand ein gerahmtes Foto von Leonard. Unter dem Rand des Glases steckte eine Erinnerungskarte für eine Zahnreinigung und -untersuchung.
    Ich schob die Karte beiseite und schaute mir Leonards Gesicht genauer an. Ich dachte an den Schnappschuß, den ich von Marty gesehen hatte. So ein plumpes kleines Etwas: übergewichtig, Brillenrahmen aus Plastik, Frisur, die aussah wie eine Perücke. Leonard war viel attraktiver und mußte in glücklicheren Zeiten eine schmucke Erscheinung abgegeben haben. Er hatte ein bemerkenswertes Gesicht, graue

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