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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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in die Kerben des Bügels eingeklinkt war. Normalerweise betätigt schon die Spitze eines Schlüssels die Feder, folglich war es nur ein Problem herauszufinden, welcher meiner Dietriche den Schnappriegel aufspreizen und so den Mechanismus ausklinken würde. Ehrlich gesagt, hätte ich auch eine Büroklammer mit einer kleinen L-Biegung am Ende versuchen können; aber das war auch die Form des ersten Dietrichs, den ich benutzte, und das Vorhängeschloß rührte sich nicht. Ich versuchte den nächsten Dietrich mit der H-Form an der Spitze. Nix. Ich versuchte den dritten und bewegte ihn vorsichtig. Das Schloß sprang offen in meine Hand. Ich sah auf die Uhr. Eineinhalb Minuten. Ich werde ein wenig eitel in bezug auf diese Dinge.
    Die Hüttentür machte ein wimmerndes Geräusch, als ich sie öffnete, und einen Moment lang stand ich da und spürte, wie mir das Herz bis zum Hals schlug. Ich hörte hinten auf der Straße ein Motorradgeräusch, aber ich achtete nicht besonders darauf, denn ich hatte gerade Mikes besorgtes Verhältnis zu dem Eigentum seines Onkels begriffen. In der Hütte waren, neben Reihen voll Tontöpfen, dem Handrasenmäher und einer Unkrautharke sechs Regale, vollgestopft mit illegalen Drogen: Steintöpfe voller Reds und Dexies, Nembutalpillen, Rainbows und Sopers... zusammen mit einigen prallen Plastikpäckchen voll Marihuana und Haschisch. Tja, das war fast zu schön, um wahr zu sein. Ich glaubte nicht, daß Leonard Grice der Drogist war, doch ich hätte meinen Kopf darauf verwettet, daß sein Neffe reichlich in dieses kleine, handliche Depot investiert hatte. Ich war so in meine Entdeckung verliebt, daß ich nicht bemerkte, daß er hinter mir stand, bis ihm ein erstauntes »Heh!« entfuhr.
    Ich sprang zurück und schnellte herum. Ich mußte einen Schrei unterdrücken. Da stand ich nun, Auge in Auge mit diesem Teenie, und seine grünen Augen leuchteten in der Dunkelheit wie die einer Katze. Er war genauso überrascht, mich hier zu sehen, wie ich, daß er hier war. Glücklicherweise war keiner von uns bewaffnet, sonst hätte es ein schnelles Duell geben können, in dem wir einander eine Menge Schmerzen zugefügt hätten.
    »Was tun Sie hier?« rief er. Er klang wütend, als könne er nicht glauben, daß das tatsächlich wahr war. Sein Irokesenschnitt wuchs langsam heraus, und der Wind ließ ihn sich leicht zur Seite neigen wie ein hohes Kornfeld in einer dieser alten Reklamesendungen für Haferflocken. Er trug eine schwarze Motorradlederjacke und einen Ohrring aus Quarz. Seine Stiefel reichten bis zum Knie und waren aus Plastik. Sie hatten ein Muster, das sie aussehen lassen sollte wie die Haut einer Kobra, aber es wirkte mehr wie Schuppenflechte. Es war schwierig, diesen Burschen ernst zu nehmen, doch auf irgendeine merkwürdige Weise tat ich es. Ich schloß die Hüttentür und ließ das Vorhängeschloß einschnappen. Was würde er beweisen können?
    »Ich bin neugierig darauf geworden, was du hier hinten machst, also dachte ich, ich schau mal rein.«
    »Sie meinen, Sie sind einfach eingebrochen?« sagte er. Seine Stimme hatte dieses jugendliche Springen, das noch von der Pubertät übriggeblieben war, und seine Wangen waren knallro-sa. »Das können Sie nicht tun!«
    »Mike, Süßer, ich hab’s gerade getan«, erwiderte ich. »Du steckst ganz schön in der Klemme.«
    Mit leerer Miene starrte er mich einem Moment lang an.
    »Sie woll’n die Cops holen?«
    »Scheiße, ja!«
    »Aber was Sie getan haben, ist mindestens genauso gesetzeswidrig wie das hier«, meinte er. Ich merkte, daß er einer von diesen klugen Jungens war, die daran gewöhnt sind, gleichberechtigt mit den Erwachsenen zu diskutieren.
    »Ach Mist«, sagte ich, »gib’s dran. Ich werde jetzt nicht mit dir hier draußen stehen und das kalifornische Strafgesetzbuch diskutieren. Du handelst mit Drogen. Die Cops werden sich ’n Dreck drum scheren, was ich hier getan habe. Vielleicht ging ich gerade vorbei und dachte, du würdest selbst hier einbrechen. Du bist aus dem Rennen, Kleiner.«
    Sein Blick wurde schlauer, und er änderte die Taktik. »Ja, also, warten Sie doch mal ’n Moment. Machen Sie nicht so schnell. Warum können wir nicht darüber reden?«
    »Klar, warum nicht? Was gibt’s?«
    Ich konnte förmlich sehen, wie seine Gehirnzellen umdachten und einen neuen Gedanken formten. Er war kein Narr, aber er überraschte mich dennoch mit der Methode, die er wählte. »Untersuchen Sie Tante Martys Tod? Sind Sie deshalb hier?«
    Tante

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