Kinsey Millhone 02- In aller Stille
und das Feuer nach ungefähr dreißig Minuten gelöscht. Die Leiche war am Eingang gefunden und zur Leichenhalle gebracht worden.
Die endgültige Identifizierung gelang durch Röntgenaufnahmen des kompletten Gebisses, die Martys Hauszahnarzt zur Verfügung gestellt hatte, und durch die Untersuchung des Mageninhalts. Sie hatte offensichtlich Leonard am Telefon gegenüber geäußert, daß sie sich eine Dose Tomatensuppe und ein Thunfischsandwich gemacht hatte. Die leeren Dosen waren im Küchenabfall gefunden worden. Den Zeitpunkt des Todes hatte man mehr oder weniger genau festgelegt auf die kurze Spanne zwischen dem Telefongespräch und dem Moment, in dem der Alarm einging.
Ich las mir den Autopsiebericht durch und faßte im Kopf eine Menge technischer Einzelheiten zusammen. Der Pathologe hatte keinen Kohlenstaub in den Atemwegen oder den Lungen festgestellt, und es hatte auch kein Kohlenmonoxyd im Blut oder in anderem Gewebe gegeben. Damit stand fest, daß sie tot gewesen war, bevor das Feuer ausbrach. Zusätzlich durchgeführte Labortests hatten weder Alkohol noch Chloroform, Drogen oder Gift im Körper gefunden. Die Todesursache wurde auf mehrfachen Schädelbruch zurückgeführt, der vermutlich durch wiederholte Schläge mit einem stumpfen Gegenstand hervorgerufen worden war. Aufgrund der Art der Verletzungen schätzte der Pathologe die Breite des Gegenstandes auf zehn bis zwölf Zentimeter und vermutete einen großen, mit viel Kraft angewandten Schraubenschlüssel, einen Baseballschläger oder eine Art Keule, vielleicht aus Metall. Die Mordwaffe war nie gefunden worden. Es sei denn, natürlich, es war ein großes altes Brett gewesen, das im Feuer verbrannt war; es gab jedoch keinen Hinweis, der diese Vermutung stützen konnte.
Die Brandstiftungsspezialisten schienen überhaupt keine Zweifel zu haben, daß das Feuer vorsätzlich gelegt worden war. Labortests hatten Kerosinspuren auf dem Fußboden nachgewiesen. Die verkohlten Muster im ganzen Haus hatten diese Vermutung bestätigt. Sie hatten dieselben schwarzen Spritzflecken und dieselben Spuren von Flüssigkeit gesehen, die ich entdeckt hatte, als ich das Haus untersucht hatte. Außerdem hatten sie einige raffinierte Methoden angewandt, um die Stelle des Feuerausbruchs und seinen Verlauf nachzuweisen. Leonard Grice war nach dem Kerosin gefragt worden, und er sagte, er habe eine Menge im Keller aufbewahrt; er und Marty hätten es bei ihren Campingausflügen für zwei Lampen und einen Kocher benutzt. Das begründete, warum der Eindringling Zugang zu brennbarer Flüssigkeit gehabt hatte. Es sah so aus, als sei der Einbrecher zwar mit einer Waffe in der Hand gekommen, aber ohne den Plan, das Haus niederzubrennen. Das Feuer war offensichtlich ein nachträglicher Einfall, ein hastig ausgedachter Plan, um zu vertuschen, daß Marty Grice erschlagen worden war. Bisher deutete nichts darauf hin, daß jemand gewußt hatte, daß sie da sein würde. Folglich war es den Cops schwergefallen, von einem im voraus geplanten Mord auszugehen.
Es gab keinen Hinweis auf eine vorher angebrachte Zeitzündervorrichtung, wodurch die Möglichkeit ausgeschlossen wurde, daß Grice das Feuer präpariert hatte, bevor er das Haus verließ. Grices Neffe, Mike, war befragt und entlastet worden. Er war von zahlreichen neutralen Zeugen im entscheidenden Zeitraum, den die Experten als Ausbruchstermin des Feuers ansahen, in einem Laden namens The Clockworks in Santa Teresa City gesehen worden. Es gab keine anderen Verdächtigungen und keine weiteren Zeugen. Jeder andere eindeutige Beweis einschließlich der Fingerabdrücke war vom Feuer zerstört worden. Elaine Boldts Name war auf einer Liste von Personen, die befragt werden sollten, und es gab eine Notiz, daß Lieutenant Dolan sie am fünften telefonisch gesprochen hatte. Er hatte mit ihr verabredet, daß sie am zehnten Januar vorbeikommen sollte, aber sie war nie erschienen. Nach meinen Informationen verließ sie die Stadt Richtung Florida am Abend vorher.
Eine Eintragung, die in der Mitte eines getippten Berichts erschien, interessierte mich beträchtlich. Laut eines Deputy im Police Department war am Abend des Mordes um 21.06 Uhr ein Anruf eingegangen, der durchaus von Marty Grice hätte stammen können. Der Anrufer war weiblich und in Panik gewesen und hatte einen Hilfeschrei ausgestoßen, bevor die Leitung erstarb. Da der Anruf bei der Polizeiwache und nicht über 911 eingegangen war, hatte der Deputy keine Möglichkeit gehabt, den Ursprung
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