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Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Kinsey Millhone 02- In aller Stille

Titel: Kinsey Millhone 02- In aller Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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des Anrufs festzustellen. Er hatte jedoch eine Notiz darüber angefertigt, und Dolan davon erzählt, als der Mord bekannt wurde. Er hatte es in seinen Bericht aufgenommen. Er hatte Grice auch darüber befragt. Wenn es Marty gewesen war, warum hätte sie die Wache anrufen sollen statt 911 zu wählen? Leonard hatte daraufhingewiesen, daß er und Marty einen Anrufbeantworter hatten, der über eine Schnellwählfunktion verfügte. Sie hatte sowohl die Nummer der Polizei- wie auch die der Feuerwache eingegeben. Der Apparat wurde unbeschädigt auf einem Tisch im hinteren Teil des Flurs gefunden. Die Nummern waren säuberlich in das Inhaltsverzeichnis geschrieben. Es schien, als wäre Marty vor dem Angriff gewarnt gewesen und hätte es geschafft, ans Telefon zu kommen und zumindest einen Notruf zu versuchen, bevor sie getötet wurde. Wenn tatsächlich sie es war, die diesen Anruf getätigt hatte, dann war der Zeitpunkt ihres Todes auf 21.06 Uhr oder kurz danach festgelegt.
    Einen Moment lang hegte ich die flüchtige Hoffnung, daß Leonard Grice trotzdem darin verwickelt war. Soweit ich es beurteilen konnte, hatte die Polizei schließlich nur Lilys Wort für die Tatsache, daß er zu dieser Zeit noch in ihrer Wohnung war. Ich überlegte, daß er vielleicht früher nach Hause gekommen war, Marty umgebracht, das Feuer gelegt und einen Block weiter den geeigneten Moment abgewartet hatte, um einzutreffen. Wenn er und seine Schwester unter einer Decke steckten, konnten sie hinterher beide einfach behaupten, er sei bei ihr gewesen. Diesmal hatte ich kein Glück. Nach drei weiteren Befragungen folgte ein kleiner Absatz über ein Gespräch, das Dolan mit Lilys Nachbarn hatte, die unerwartet vorbeigekommen waren, um ein Geburtstagsgeschenk zu überreichen. Der Ehemann und seine Frau sagten unabhängig voneinander aus, Leonard sei dagewesen und nicht vor zirka zehn Uhr nach Hause gefahren. Sie erinnerten sich an die Zeit, weil sie versucht hatten, ihn zu einer Fernsehsendung zu überreden, die um zehn anfing. Sie stellte sich als eine Wiederholung heraus, und da er sowieso gern zu seiner Frau nach Hause wollte, ging er.
    Tja, Scheiße, dachte ich.
    Also, warum machte mich das so verdrießlich? Ah, klar, weil ich wollte, daß Leonard Grice schuldig war. Mord, Anstiftung zum Mord, Beihilfe zum Mord. Ich mochte den Gedanken um der Ordnung willen — aus statistischen Zwecken zumindest. Kalifornien hat jährlich über dreitausend Mordopfer, und davon werden ganze zwei Drittel von Freunden, Bekannten oder Verwandten umgebracht. Da fragt man sich, ob man in diesem Staat als freundloses Waisenkind nicht besser dran ist. Tatsache ist, wenn ein Mord geschehen ist, sind die Chancen gut, daß jemand Liebes und Teures seine Finger im Spiel hatte.
    Ich dachte darüber nach und sträubte mich dagegen, den Gedanken aufzugeben. Könnte Grice jemanden damit beauftragt haben, seine Frau zu töten? Die Möglichkeit bestand natürlich immer, aber es war schwer ersichtlich, was er dadurch gewann. Die Polizei, die ja auch nicht nur aus ignoranten Hampelmännern besteht, hatte diese Spur ebenfalls verfolgt, aber es war nichts dabei herausgekommen. Keine unerklärlichen Gelder, keine Treffen mit verdächtigen Gestalten, kein deutliches Motiv, kein sichtbarer Nutzen.
    Was mich wieder zu Elaine Boldt führte. Könnte sie in Marty Grices Tod verstrickt sein? Alles, was ich bisher über sie wußte, schrie ein laut schallendes »Nein«. Es gab tatsächlich keinerlei Hinweis darauf, daß sie Leonard auf romantische oder irgendeine andere Art verbunden war, außer als eine gelegentliche Bridge-Partnerin. Ich glaube eigentlich nicht daran, daß Marty Grice getötet worden war, weil sie einen kleinen Schlemm verpfuscht hatte, aber bei Bridge-Spielern kann man nie wissen. Wim Hoover hatte erwähnt, daß Elaine und Beverly Weihnachten eines Mannes wegen gestritten hatten, aber es war schwierig, sich die beiden in einem Ringkampf um Leonard Grice vorzustellen. Ich kam immer wieder auf dieselbe Vermutung zurück — daß Elaine etwas wußte oder etwas gesehen hatte, was mit dem Mord in Verbindung stand, und die Stadt verlassen hatte, um der genauen Befragung durch die Polizei von Santa Teresa zu entgehen.
    Ich wandte meine Aufmerksamkeit den Fotografien zu und schaltete vorher sorgfältig mein Gehirn ab. Ich mußte wissen, wie die Dinge ausgesehen hatten, und konnte mir keine emotionale Reaktion erlauben. Gewaltsamer Tod ist abstoßend. Mein erster Impuls ist jedesmal,

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