Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
getötet wurde. Es mußte vor fünf oder sechs Jahren gewesen sein. Soweit ich mich erinnern konnte, war jemand eines Nachts in sein Haus in Montebello eingedrungen und hatte Dwight nach einem Kampf im Schlafzimmer erschossen. Ich war damals für einen Klienten in Houston, deshalb hatte ich die Ereignisse nicht so genau verfolgt, doch soviel ich wußte, lag die Sache noch immer als nicht aufgeklärter Mordfall bei den Akten.
»Was war geschehen?« fragte ich.
»Fragen Sie nicht, und mischen Sie sich nicht ein. Ich hatte Bobby angefleht, die Finger davon zu lassen, aber er wollte nicht hören, und das hat ihn sein Leben gekostet. Vergangenheit ist Vergangenheit. Es ist vorbei und erledigt, und ich bin die einzige, die jetzt dafür bezahlt. Vergessen Sie’s. Ich kümmere mich nicht mehr darum, und wenn Sie klug sind, tun Sie’s auch nicht.«
»Sie wissen doch, daß ich das nicht machen kann. Erzählen Sie mir, was weiter geschah.«
»Wozu? Es wird nichts mehr ändern.«
»Nola, ich werde es herausfinden, ob Sie es mir sagen oder nicht. Wenn Sie mir jetzt alles offen erzählen, muß ich vielleicht gar nicht mehr weitergehen. Vielleicht werde ich Sie verstehen und darin einwilligen, die ganze Sache fallenzulassen. Ich bin nicht unvernünftig, aber Sie müssen fair sein.«
Die Unschlüssigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Oh, mein Gott«, stöhnte sie und senkte den Kopf einen Moment lang. Dann sah sie mich furchterfüllt an. »Wir sprechen hier über einen Wahnsinnigen. Jemand total Verrückten. Sie müssen schwören... Sie müssen versprechen, sich rauszuhalten.«
»Ich kann Ihnen kein solches Versprechen geben, und das wissen Sie. Erzählen Sie mir die Geschichte, und dann werden wir überlegen, was zu tun ist.«
»Ich habe nie jemandem außer Bobby davon erzählt, und Sie sehen ja, was ihm widerfuhr.«
»Was ist mit Sufi? Sie weiß Bescheid, oder?«
Erstaunt und für einen Moment bestürzt über die Erwähnung von Sufis Namen sah sie mich an, dann wandte sie den Blick ab. »Nein, gar nichts. Ich bin sicher, daß sie nicht weiß, was vor sich geht. Warum sollte sie?« Die Antwort war zu zögernd gekommen, um überzeugend zu wirken, doch ich beließ es für den Augenblick dabei. Hatte Sufi sie erpreßt?
»Nun, irgend jemand weiß es«, beharrte ich. »Nach meinen Schlußfolgerungen wurden Sie erpreßt, und Bobby hat das zu beenden versucht. Was ist das für ein Handel? Was hat die Person gegen Sie in der Hand? Worin besteht ihre Macht über Sie?«
Ich ließ sie das Schweigen ausdehnen und beobachtete dabei, wie sie mit ihrem Bedürfnis nach verbaler Erleichterung kämpfte.
Schließlich begann sie mit einer so leisen Stimme zu sprechen, daß ich gezwungen war, mich vorzubeugen, um sie verstehen zu können. »Wir waren fast fünfzehn Jahre lang verheiratet. Dwight nahm Medikamente gegen zu hohen Blutdruck, und die machten ihn impotent. Wir hatten ohnehin nie ein besonders ausgefülltes Geschlechtsleben geführt. Ich wurde unruhig und suchte mir einen... jemand anderen.«
»Einen Liebhaber.«
Sie nickte, die Augen geschlossen, als schmerze sie die Erinnerung. »Dwight überraschte uns eines Nachts im Bett. Er drehte durch. Er holte eine Waffe aus der Bibliothek und kehrte zurück, und dann kam es zum Kampf.«
Ich schnappte das Geräusch von Schritten auf, die den Flur herunter kamen. Gleichzeitig mit ihr sah ich zur Tür, und ihre Stimme wurde dringlich.
»Kein Sterbenswörtchen darüber. Bitte.«
»Nein, vertrauen Sie mir. Was ist der Rest der Geschichte?«
Sie zögerte. »Ich habe Dwight erschossen. Es war ein Unfall, aber jemand hat die Waffe mit meinen Fingerabdrücken darauf.«
»Und das war es, wonach Bobby gesucht hat?«
Sie nickte kaum wahrnehmbar.
»Aber wer hat sie? Ihr Exliebhaber?«
Nola legte einen Finger an die Lippen. Es klopfte an der Tür, und Dr. Fraker steckte den Kopf ins Zimmer, offenbar überrascht, mich dort sitzen zu sehen. »Oh, hallo Kinsey. Ist das Ihr Wagen, der in der Einfahrt steht? Ich wollte gerade wegfahren, und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wer hier sein könnte.«
»Ich bin vorbeigekommen, um mit Nola über Glen zu sprechen«, erklärte ich. »Ich glaube, es geht ihr nicht besonders gut, und da habe ich mir überlegt, wir könnten vielleicht Abmachungen treffen, um uns abwechselnd um sie zu kümmern, da Derek nicht mehr da ist.«
Bedauernd schüttelte er den Kopf. »Dr. Kleinert hat mir berichtet, daß sie ihn hinausgeworfen hat. Verdammt
Weitere Kostenlose Bücher