Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief
Schwarzkopien von Mordberichten gemacht. Er war jahrelang mit seiner alten Jugendliebe verheiratet gewesen, die ihn vor einem Jahr verlassen hatte, zusammen mit seinen beiden Töchtern. Sie hatte ihm eine Gefriertruhe voll mistiger, selbstgemachter Mahlzeiten hinterlassen. Er war nicht besonders auffällig, aber darauf achte ich ohnehin nicht, und ich mochte ihn sehr. Wir hatten kein Verhältnis miteinander gehabt, aber er hatte ein Stück gesunden männlichen Interesses an den Tag gelegt, und ich hatte es ziemlich bedauert, daß er zu seiner Frau zurückgegangen war. Ehrlich gesagt, ich war verletzt gewesen und hatte seitdem Abstand gehalten.
»Robb.«
»Mein Gott«, begann ich. »Ich habe noch gar nicht mit dir gesprochen und bin schon wieder sauer.«
Ich hörte, wie er zögerte. »Kinsey, bist du das?«
Ich lachte. »Ja, ich bin’s, und ich habe gerade festgestellt, wie geladen ich bin.«
Er wußte genau, worüber ich sprach. »Herrje. Ich weiß ja, Kleines. Das war aber auch ein Haufen Bockmist. Ich habe so oft an dich gedacht.«
Ich machte »hmm, hmm« in einer Art, von der ich hoffte, daß sie möglichst skeptisch klang. »Wie geht’s Camilla?«
Er seufzte, und ich konnte förmlich sehen, wie er sich mit der Hand durchs Haar fuhr. »Ungefähr genauso. Sie behandelt mich wie Dreck. Ich weiß nicht, warum ich sie überhaupt wieder in mein Leben gelassen habe.«
»Obwohl es bestimmt schön ist, daß die Mädchen wieder zu Hause sind, oder?«
»O ja, das ist es natürlich«, bestätigte er. »Und wir gehen jetzt zur Beratung. Nicht die Mädchen. Sie und ich.«
»Vielleicht hilft das.«
»Vielleicht auch nicht.« Er nahm sich zusammen und änderte seinen Tonfall. »Nun ja. Ich sollte mich nicht beschweren. Wahrscheinlich habe ich mir das alles selbst zuzuschreiben. Es tut mir nur leid, daß du letztendlich auch noch davon betroffen warst.«
»Keine Sorge. Ich bin schon ein großes Mädchen. Übrigens weiß ich eine Möglichkeit, wie du alles wiedergutmachen kannst. Ich dachte, vielleicht könnte ich dich gleich zum Mittagessen einladen und dir ein paar Würmer aus der Nase ziehen.«
»Klar, schrecklich gern, bloß, daß das Essen auf meine Kosten geht. Das wird mir helfen, meine Schuldgefühle ein bißchen zu dezimieren. Wie gefällt dir dieser Quatsch mit dem »dezimieren«? Das ist das Wort des Tages in meinem Wortschatzkalender. Gestern war es »integrierend«. Mir ist bis jetzt nicht eingefallen, wo man das hineinschmuggeln könnte. Wo möchtest du hingehen? Schlag etwas vor.«
»Ach, etwas Einfaches. Ich möchte nicht noch viel Zeit für gesellschaftliche Feinheiten aufwenden.«
»Wie wär’s mit dem Gerichtsgebäude? Ich hol uns ein paar Sandwiches, und wir können auf dem Rasen essen.«
»Mein Gott, mitten in der Öffentlichkeit. Wird da nicht deine ganze Abteilung klatschen?«
»Das will ich hoffen. Vielleicht bekommt Camilla Wind davon und verläßt mich wieder.«
»Also dann bis halb eins.«
»Soll ich in der Zwischenzeit noch irgendwelche Nachforschungen für dich anstellen?«
»Oh, genau. Gute Idee.« Ich gab ihm einen kurzen Abriß des Costigan-Mordes, ohne Nola Fraker dabei zu erwähnen. Ich wollte später entscheiden, wieviel von der Geschichte ich ihm anvertrauen konnte. Im Moment lieferte ich ihm die öffentlich bekannte Version und fragte, ob er einen Blick in die Akten werfen könne.
»Ich kann mich vage an diese Geschichte erinnern. Mal sehen, was ich dazu ausgraben kann.«
»Und noch eine andere Sache, wenn’s geht«, fügte ich hinzu. »Könntest du über NCIC eine Frau namens Lila Sams überprüfen?« Ich gab ihm ihre beiden anderen Namen, Delia Sims und Delilah Satnpson, das Geburtsdatum aus dem Führerschein und die zusätzlichen Informationen, die ich in meinen Notizen hatte.
»Okay, ich hab’s. Ich werde sehen, was ich tun kann. Bis bald«, erwiderte er und legte auf.
Mir war in den Sinn gekommen, daß Lila, wenn sie tatsächlich krumme Dinger mit Henry vorhatte, genausogut ein Vorstrafenregister haben könnte. Ich hatte keinerlei Zugangsmöglichkeit zum National Crime Information Center, es sei denn mit Hilfe einer amtlichen Bevollmächtigung. Jonah konnte den Namen in den Computer eingeben und Minuten später die Antwort bekommen. Dann wußte ich zumindest, ob meine Instinkte zutrafen.
Ich räumte das Büro auf, schnappte mir die Verrechnungsschecks und schloß ab. Erst ging ich noch auf ein paar Minuten nach nebenan, um ein Pläuschchen mit Vera Lipton zu
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