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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Raumes zu. Ich folgte ihr. Die anderen Kunden verloren das Interesse, aber ich hatte das Gefühl, eine unangenehme Szene vor mir zu haben.
    Als ich schließlich das Hinterzimmer betrat, fummelte Ramona mit zitternden Händen in ihrer Handtasche herum. Sie öffnete eine Reißverschlußtasche und holte ein Tablettenröllchen hervor. Sie schüttelte eine Tablette heraus und zerbrach sie in der Mitte, spülte sie mit einem Schluck kalten Kaffees aus einem weißen Becher mit ihrem Namen an der Seite herunter. Nach kurzem Nachdenken schluckte sie dann auch die zweite Hälfte ihrer Tablette.
    »Hören Sie, es tut mir leid, daß ich das angeschnitten habe...«, fing ich an.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Das hilft auch nichts«, schleuderte sie mir entgegen. Sie suchte in ihrer Tasche und förderte eine Schachtel Winston zutage. Sie zog eine Zigarette heraus, klopfte sie mehrmals an ihren Daumennagel und zündete sie dann mit einem Einwegfeuerzeug an, das sie in ihre Schürzentasche geschoben hatte. Mit dem linken Arm umspannte sie ihre Taille, stützte den rechten Ellbogen darauf, so daß sie ihre Zigarette dicht ans Gesicht halten konnte. Ihre Augen schienen dunkler geworden zu sein, und sie fixierte mich mit einem leeren, groben Blick. »Was wollen Sie?«
    Ich konnte fühlen, wie mein Gesicht heiß wurde. Plötzlich war das Geld nebensächlich geworden und schien sowieso eine viel zu kleine Summe zu sein. »Ich habe einen Bankscheck für Tony. John Daggett hat mich gebeten, ihn zuzustellen.«
    Ihr Lächeln war gräßlich. »Oh, einen Scheck. Nun, über wieviel ist er denn ausgestellt? Gilt er pro Kopf oder ist es eine Art Pauschalzahlung per Wagenladung?«
    »Mrs. Westfall«, sagte ich geduldig.
    »Sie können mich Ramona nennen, meine Liebe, da es doch hier um so intime Dinge geht. Wir sprechen über die Menschen, die ich mehr als alles andere auf der Welt geliebt habe.« Sie inhalierte kräftig und blies den Rauch dann an die Decke.
    Ich zügelte mein Temperament, beherrschte mich in meiner Antwort. »Ich verstehe ja, daß es ein schmerzhaftes Thema für Sie ist. Ich weiß, es gibt nichts, was Sie entschädigen könnte, aber John Daggett hat eine Geste gemacht, und ganz egal, wie Ihre Meinung dazu ist, könnte es doch möglich sein, daß Tony für das Geld Verwendung hat.«
    »Wir sorgen gut für ihn, vielen Dank. Wir brauchen nichts von John Daggett oder seiner Tochter oder von Ihnen .«
    Ich ging weiter vor, tauchte in ihren Zorn wie ein Schwimmer in die Brandung. »Lassen Sie mich zuerst noch etwas sagen. Daggett kam letzte Woche mit einem Scheck zu mir, der auf Tony ausgestellt war.«
    Sie setzte zum Sprechen an, aber ich hob eine Hand. »Bitte«, sagte ich.
    Sie gab nach, ließ mich weitersprechen.
    »Ich habe den Scheck in einen Tresor geschlossen, bis ich ihn übergeben könnte. Sie können ihn meinetwegen in den Abfall werfen. Aber ich möchte gern tun, was ich versprochen habe, und das heißt, daß ihn Tony Gahan bekommt. Theoretisch bleibt es allein Tony überlassen, zu entscheiden, was er damit machen will. Ich wäre Ihnen also dankbar, wenn Sie mit ihm reden würden, ehe Sie irgend etwas anderes tun.«
    Sie dachte darüber nach, ihre Augen in meine gebohrt. »Wieviel?«
    »Fünfundzwanzigtausend. Das ist ein gutes Stück Ausbildung für Tony, oder eine Reise ins Ausland...«
    »Ich hab schon kapiert«, unterbrach sie mich. »Vielleicht gestatten Sie, daß ich jetzt auch mal was sage. Dieser Junge ist jetzt seit fast drei Jahren bei uns. Er ist fünfzehn Jahre alt, und ich glaube nicht, daß er seit dem Unfall auch nur ein einziges Mal volle acht Stunden geschlafen hat. Er hat Migräne und kaut Fingernägel. Seine Noten sind schlecht, die Teilnahme am Unterricht gleich Null. Wir sprechen von einem Kind mit einer überdurchschnittlichen Intelligenz. Tony ist ein Wrack, und John Daggett hat ihm das angetan. Es gibt nichts... nichts, was irgend jemand tun kann, um Tony für das zu entschädigen, was dieser Mann getan hat.«
    »Ich verstehe das.«
    »Nein, das tun Sie nicht.« Ihre Augen füllten sich plötzlich mit Tränen. Sie verstummte, ihre Hände zitterten jetzt so heftig, daß sie die Zigarette kaum an die Lippen brachte. Es gelang ihr, noch einmal daran zu ziehen, sie kämpfte um Beherrschung. Das Schweigen dehnte sich aus. Sie schien zu schaudern, und ich konnte fast sehen, wie die Beruhigungspille wirkte. Sie wandte sich abrupt ab, ließ die Zigarette fallen und trat sie aus. »Geben Sie

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