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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hatte. Ich tankte meinen VW auf und fuhr dann auf die Schnellstraße.
    Das Haus der Smith’ war das einzige in einem Kreis von zwölf identischen Gebäuden, das aus dem Rahmen fiel, und ich schloß daraus, daß es sich hierbei um das ursprüngliche Farmhaus inmitten eines ehemaligen Zitrushaines handelte. Ich konnte noch immer Orangenbäume ausmachen, die in unregelmäßigen Reihen wuchsen, die jetzt jedoch von Straßen, Zäunen und einer Grundschule durchbrochen wurden. Der Briefkasten der Smith’ war eine kleine Nachbildung des Hauses, und die Hausnummer war aus einem dicken Holzbrett geschnitzt worden, das dunkelfleckig über den Verandastufen hing. Das Haus selbst war ein zweistöckiges, weißes Holzgebäude mit hohen, schmalen Fenstern und einem Schindeldach. Hinter dem Haus erstreckte sich ein üppiger Gemüsegarten, und hinter diesem befand sich die Garage. Eine Reifenschaukel hing an einem Seil an einer der Platanen, die im Hof wuchsen. Orangenbäume erstreckten sich zu allen Seiten, wirkten verdorrt und knorrig, die Jahre, als sie noch Früchte trugen, waren längst vergangen. Wahrscheinlich war es billiger, sie dort zu lassen als auszureißen. Eine Sammlung von Knabenfahrrädern in einem Gestell auf der Veranda ließ auf die Gegenwart männlicher Nachkommen oder auf eine soeben stattfindende Versammlung eines Fahrradvereins schließen.
    Die Klingel befand sich in der Mitte der Tür. Ich drückte sie einmal, und sie läutete schrill. Wie auch beim Haus der Christophers war der obere Teil der Tür hier aus Glas, was mir einen Blick aufs Innere ermöglichte — hohe Decken, gewachste Holzböden, Flickenteppiche und Antiquitäten aus der Gründerzeit Amerikas, die meinem Laienauge echt zu sein schienen. Die Wände bedeckten Patchwork-Decken, deren Farben zu den heiligen Schattierungen von Lila und Blau verblichen waren. Zahlreiche Kinderjacken hingen an einer Reihe Haken zur Linken, und darunter waren Gummistiefel in Reih und Glied aufgestellt.
    Eine Frau in Jeans und einem übergroßen, weißen T-Shirt trottete die Treppe herunter, wobei sie sich mit einer Hand am Geländer festhielt. Sie schenkte mir ein kurzes Lächeln und öffnete die Haustür.
    »Hallo. Sind Sie Larrys Mom?« Aus meinem Ausdruck las sie augenblicklich, daß ich keine Ahnung hatte, wovon sie überhaupt sprach. Sie lachte kurz. »Scheinbar nicht. Die Jungs sind vor einer halben Stunde vom Kino zurückgekommen, und seitdem warten wir darauf, daß Larrys Mutter ihn abholt. Verzeihen Sie.«
    »Aber das macht doch nichts. Ich bin Kinsey Millhone. Ich bin Privatdetektiv hier in der Stadt.« Ich reichte ihr meine Karte.
    »Kann ich Ihnen denn irgendwie helfen?« Sie war Mitte Dreißig, hatte das blonde Haar streng aus dem Gesicht gebürstet und zu einem großen Knoten geschlungen. Sie hatte dunkle Augen und den gebräunten schönen Teint eines Menschen, der viel im Freien arbeitet. Ich stellte mir vor, daß sie zu der Sorte Mutter gehörte, die ihren Kindern das Essen von Zucker verbot und die Fernsehsendungen auswählte, die sie sehen durften. Ob sich ein solches Verhalten bezahlt macht oder nicht, darüber bin ich mir nie im klaren. Ich neige dazu, Kinder auf eine Stufe mit Hunden zu stellen und dabei die ruhigen, schlauen und guterzogenen vorzuziehen.
    »John Daggett wurde Freitag abend hier in der Stadt umgebracht.«
    Etwas flackerte über ihr Gesicht, aber vielleicht war es nur die Erkenntnis, daß ein so schmerzliches Thema noch einmal angeschnitten werden sollte. »Das hatte ich noch nicht gehört. Was ist passiert?«
    »Er ist aus einem Boot gefallen und ertrunken.«
    Darüber dachte sie kurz nach. »Nun, das ist nicht das Schlimmste. Ertrinken soll doch ein ziemlich angenehmer Tod sein, oder?« Ihre Stimme war hell, ihr Gesicht freundlich. Es dauerte eine Weile, bis ich den wilden Gehalt ihrer Aussage begriff. Ich fragte mich, welche Art von Qual sie ihm wünschte.
    »Die meisten von uns haben nicht die Chance, ihre Todesart auszusuchen«, sagte ich.
    »Meine Tochter hat das bestimmt nicht getan«, sagte sie schroff. »War es ein Unfall, oder hat ihm jemand einen netten, kleinen Stoß versetzt?«
    »Das versuche ich herauszufinden. Ich habe gehört, er wäre am Montag aus L. A. gekommen, aber niemand scheint zu wissen, wo er die Woche verbracht hat.«
    »Hier jedenfalls nicht, das kann ich Ihnen versichern. Wenn er Wayne auch nur unter die Augen gekommen wäre, hätte er...« Ein schwaches Lächeln trat an die Stelle weiterer Worte, und

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