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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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bringen?« erbot ich mich.
    Barbara nickte, und ich ging zur Tür. Mr. Sharonson hatte die Unruhe gespürt und war aufgetaucht, sein Gesicht eine einzige Frage. Ich gab die Bitte weiter, und er nickte. Er verließ das Zimmer, und ich kehrte an Mrs. Daggetts Seite zurück. Sie hatte jetzt einen großen Moment, rollte den Kopf von einer Seite zur anderen und zitierte mit hoher, schriller Stimme Bibelverse. Barbara und Eugene bemühten sich, sie zurückzuhalten, und ich begriff, daß Essie den starken Wunsch ausgedrückt hatte, sich zu ihrem Geliebten in den Sarg zu werfen. Ich hätte sie am liebsten geschubst.
    Mr. Sharonson kehrte mit einem Papierumschlag mit Wasser zurück, den Barbara entgegennahm und an Essies Lippen hielt. Diese riß den Kopf nach hinten, unwillig, auch nur diesen kleinen Trost anzunehmen. »Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt«, brabbelte sie. »Ich suchte, aber ich fand ihn nicht. Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen auf den Gassen und Straßen und suchen, den meine Seele liebt. Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umgehen... Gütiger Herr im Himmel... o Gott...«
    Überrascht stellte ich fest, daß sie Fragmente aus dem Hohelied Salomons zitierte, die ich aus der Zeit meiner Sonntagsschulbesuche bei den Methodisten erkannte. Kleinen Kindern war es nicht erlaubt, diesen Teil der Bibel zu lesen, weil er als zu schmutzig galt, aber ich war wirklich interessiert an einem Mann mit Beinen wie Marmorsäulen auf Füßen aus feinem Gold. Dann war da auch noch die Rede von Schwertern und Schenkeln, die ebenfalls meine Aufmerksamkeit erregten. Ich glaube, ich blieb drei Sonntage, bis meine Tante aufgefordert wurde, mich ans andere Ende der Straße zu den Presbyterianern zu bringen.
    Essie verlor rapide die Beherrschung, peitschte sich selbst in einen Zustand solcher Hysterie, daß Eugene und Mr. Sharonson ihr auf die Füße helfen und sie aus dem Raum führen mußten. Ich konnte hören, wie ihre Schreie schwächer wurden, als sie den Gang entlanggeführt wurde. Barbara rieb sich müde das Gesicht. »O Gott, mit Mutter kann man wirklich rechnen«, murmelte sie. »Wie war Ihr Tag?«
    Ich setzte mich neben sie. »Scheint nicht gerade der beste Augenblick für ein Gespräch«, gab ich zu bedenken.
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Sie wird sich schon beruhigen. Hat ihn ja jetzt zum ersten Mal gesehen. Oben gibt es eine Art Ruheraum. Da kann sie sich ein Weilchen hinlegen, dann wird es ihr wieder bessergehen. Was ist mit Ramona Westfall? Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    Ich berichtete von meinem kurzen Gespräch und brachte das Thema dann auf meine eigentliche Frage an dieser Stelle, die mit den beiden anderen Opfern des Unfalls zu tun hatte. Barbara schloß die Augen. Das Thema berührte sie sichtlich schmerzlich.
    »Eines war eine kleine Freundin von Hilary Gahan. Ihr Name war Megan Smith. Ich bin sicher, daß ihre Eltern noch hier in der Gegend wohnen. Ich werde die Adresse und Telefonnummer nachsehen, wenn ich heimkomme. Der Name ihres Vaters ist Wayne, den Straßennamen habe ich vergessen. Aber sie stehen sicher im Telefonbuch.«
    Ich notierte mir den Namen. »Und das fünfte Opfer?«
    »Irgendein Kind, das als Anhalter mit ihnen unterwegs war. Sie haben den Jungen an der Auffahrt zur Schnellstraße aufgelesen, wollten ihn mit in die Stadt nehmen.«
    »Und wie hieß der?«
    »Doug Polokowski.«
    Ich starrte sie an. »Sie machen Witze.«
    »Warum? Kennen Sie ihn?«
    »Polokowski ist Billy Polos richtiger Familienname. Steht auf seinem Führungszeugnis.«
    »Glauben Sie, die sind verwandt?«
    »Müssen sie fast sein. Es gibt nur eine Familie Polokowski in der Stadt. Es muß sich um einen Cousin oder Bruder handeln, irgend so etwas .«
    »Aber ich dachte, Billy Polo soll Daddys bester Freund gewesen sein. Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Mr. Sharonson kehrte ins Zimmer zurück und suchte ihren Blick. »Ihre Mutter fragt nach Ihnen, Miss Daggett.«
    »Gehen Sie nur«, forderte ich sie auf. »Ich habe im Augenblick ohnehin genug zu tun. Ich rufe Sie später daheim an.«
    Barbara folgte Mr. Sharonson, während ich ins Foyer eilte und ein Telefonbuch suchte. Wayne und Marilyn Smith wohnten im Tupelo Drive draußen in Colgate, gleich um die Ecke vom Stanley Place, wenn mein Gedächtnis mich nicht täuschte. Zuerst wollte ich anrufen, aber dann war ich doch neugierig, wie sie auf die Tatsache von Dag-getts Tod reagieren würden, falls die Nachricht sie noch nicht erreicht

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