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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ihr Ton wurde fast schmerzhaft. »Ich wollte sagen, er hätte ihn umgebracht, aber ich meinte das nicht wörtlich. Oder vielleicht doch. Ich glaube, ich sollte nicht für Wayne sprechen.«
    »Wie ist es mit Ihnen? Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Keine Ahnung. Das ist mindestens zwei Jahre her.«
    »Bei der Verhandlung?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Da war ich nicht. Wayne hat einen Tag lang teilgenommen, aber danach konnte er es nicht mehr ertragen. Er hat einmal, glaube ich, mit Barbara Daggett gesprochen, aber ich bin sicher, seitdem ist da nichts mehr gewesen. Irgendwie nehme ich an, daß der Mann umgebracht worden ist. Wollen Sie darauf hinaus?«
    »Möglich ist es. Die Polizei scheint nicht so zu denken, aber ich hoffe, daß sie ihre Meinung ändern, wenn ich Beweise liefern kann. Ich habe den Eindruck, daß eine Menge Leute Daggetts Tod gewünscht haben.«
    »Also, ich bestimmt. Ich freue mich über die Nachricht. Den hätte eigentlich schon jemand gleich bei der Geburt umbringen sollen. Möchten Sie hereinkommen? Ich weiß nicht, was ich Ihnen erzählen kann, aber wir können es uns ebensogut bequem machen.« Sie warf noch einmal einen Blick auf meine Visitenkarte, überprüfte den Namen und schob sie dann in die Tasche ihrer Bluse.
    Sie hielt mir die Tür auf, und ich trat ein und blieb dann stehen, weil ich nicht wußte, wohin sie gehen wollte. Sie führte mich ins Wohnzimmer.
    »Waren Sie und Ihr Mann Freitag abend daheim?«
    »Warum? Verdächtigen Sie uns?«
    »Es gibt noch keine offizielle Untersuchung«, beruhigte ich sie.
    »Ich war hier. Wayne hat Überstunden gemacht. Er ist vereidigter Wirtschaftsprüfer.«
    Sie wies auf einen Sessel, und ich setzte mich. Sie selbst nahm auf der Couch Platz, ganz entspannt. An ihrem rechten Handgelenk trug sie ein schmales goldenes Armband, das sie jetzt drehte und versuchte, die Glieder in der Kette zu richten. »Haben Sie John Daggett je persönlich kennengelernt?« fragte sie mich.
    »Ja. Er kam am Samstag vor einer Woche in mein Büro.«
    »Aha. Zweifellos auf Bewährung entlassen. Er muß seine zehn Minuten abgesessen haben.«
    Ich gab keinen Kommentar ab, und so fuhr sie fort:
    »Was hat er in Santa Teresa gemacht? Ist er an den Schauplatz des Gemetzels zurückgekehrt?«
    »Er hat versucht, Tony Gahan ausfindig zu machen.«
    Das schien sie lustig zu finden. »Zu welchem Zweck? Es geht mich wahrscheinlich nichts an, aber ich bin neugierig.«
    Ihre Haltung, eine seltsame Mischung aus Haß und Heiterkeit, gefiel mir nicht. »Ich weiß nicht genau, welche Absichten er hegte«, sagte ich vorsichtig. »Die Geschichte, die er mir erzählt hat, war sowieso nicht wahr. Deshalb ist sie es wohl auch nicht wert, wiederholt zu werden. Ich hatte den Eindruck, er wollte etwas gutmachen.«
    Ihr Lächeln verging, die dunklen Augen bohrten sich mit einem Blick in meine, der mir kalte Schauer den Rücken hinabjagte. »Es gibt keine Wiedergutmachung für das, was dieser Mann getan hat. Megan ist auf schreckliche Art gestorben. Fünfeinhalb Jahre alt. Hat Ihnen jemand die Einzelheiten erzählt?«
    »Ich habe die Zeitungsausschnitte im Wagen. Außerdem habe ich auch mit Ramona Westfall gesprochen, und sie hat mir alles erzählt«, log ich. Ich wollte nichts über Megans Tod hören. Ich fürchtete, es nicht ertragen zu können, was immer es war. »Haben Sie noch Kontakt zu den anderen Familien?«
    Einen Augenblick lang dachte ich, ich könnte sie nicht ablenken. Sie saß da und würde mir gleich eine Geschichte erzählen, die mir das Blut in den Adern gefrieren lassen würde und die ich niemals mehr vergessen würde. Grausame Bilder schienen über ihr Gesicht zu ziehen. Sie stockte, ihr Ausdruck durchlief diese Veränderung, die Tränen vorausgeht — ihre Nase rötete sich, der Mund veränderte die Form, Falten gruben sich auf beiden Seiten ein. Dann gewann sie ihre Selbstbeherrschung wieder und sah mich mit umwölkten Augen an. »Es tut mir leid. Wie, bitte?«
    »Ich habe mich gefragt, ob Sie in letzter Zeit noch Kontakt zu den anderen gehabt hätten. Mrs. Westfall oder den Polokowskis.«
    »Ich habe ja kaum mit Wayne gesprochen. Megans Tod hat uns geschafft.«
    »Was ist mit Ihren anderen Kindern? Wie werden sie damit fertig?«
    »Auf jeden Fall besser als wir. Die Leute sagen immer: >Nun, ihr habt ja noch die Jungs.< Aber so ist das nicht. Man kann nicht ein Kind durch ein anderes ersetzen.« Erst jetzt zog sie ein Tempo aus der Tasche und putzte sich die

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