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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Eingang hinein. Es ist lang und schmal hier, dunkelgrau gestrichen, und die hohe Decke säumen pink- und purpurfarbene Neonröhren. Eine Reihe Mobiles drehen sich in der rauchgeschwängerten Luft. Der Geräuschpegel ist an Wochenenden ohrenbetäubend, die Musik so laut, daß der Boden vibriert. Unter der Woche ist es ruhig und merkwürdig intim. Wir fanden einen Tisch, und ich ging zum Tresen, um uns ein paar Colas zu holen. Jemand tippte mir auf die Schulter, und als ich mich umdrehte, stand Mike hinter mir. Ich fühlte, wie mir warm wurde. »Ich habe gerade an dich gedacht!« sagte ich. »Wie geht’s dir?«
    Ein rosiger Hauch kroch über seine Wangen, und er schenkte mir ein langsames, zögerndes Lächeln. »Gut. Was treibst du so?«
    »Nicht viel. Deine Haare sind toll.« Er trug sie jetzt rosa. Früher hatte er einen Mohikaner gehabt, einen großen pinkfarbenen Hahnenkamm mitten über den Kopf und kahlrasierte Seiten. Jetzt war es in eine Reihe purpurner Spitzen frisiert, jeder Klumpen wurde von einem Gummi zusammengehalten, und die Spitzen waren weiß gebleicht. Abgesehen von seiner Frisur war er ein hübsches Kind, reine Haut, grüne Augen, gute Zähne.
    »Offen gesagt, ich bin hier, um mich mit dem Jungen da drüben zu unterhalten... geht auch auf deine Schule.«
    »So?« Er drehte sich um und musterte Tony flüchtig.
    »Kennst du ihn?«
    »Hab ihn schon gesehen. Aber er hängt nicht mit denselben Leuten rum wie ich.« Sein Blick wanderte wieder zu Tony, und ich dachte, er würde mehr sagen, aber er ließ es dann doch.
    »Und was treibst du so? Dealst du noch?«
    »Wer, ich? Mensch, nee. Ich hab doch gesagt, ich würd damit aufhören.« Er klang fast rechtschaffen. Der Blick in seinen Augen legte natürlich genau das Gegenteil nahe. Aber wenn er etwas Illegales tat, dann wollte ich es ohnehin nicht wissen, also wechselte ich das Thema.
    »Was ist mit der Schule? Wirst du dieses Jahr fertig?«
    »Im Juni. Hab schon meine Bewerbungen an verschiedene Colleges geschickt und all das Zeug.«
    »Ehrlich?« Ich wußte nicht, ob er mich anschwindelte oder nicht.
    Er fing meinen Blick auf. »Ich hab gute Noten«, protestierte er. »Ich bin nicht nur so’n durchschnittlicher High-School-Schwachkopf. Mit dem Geld, was ich hab, könnte ich überall hingehen. Dafür macht man ja Geschäfte.«
    Ich mußte lachen. »Sicher doch.« Die »Bardame« stellte zwei Colas auf den Tresen und ich bezahlte. »Ich muß zurück zu meiner Verabredung.«
    »War schön, dich zu sehen«, meinte er. »Solltest mal wieder herkommen und mit mir reden.«
    »Vielleicht tu ich das.« Ich lächelte ihm zu und schüttelte innerlich den Kopf. Frecher kleiner Anmacher. Dann ging ich zu dem Tisch, an dem Tony saß. Ich reichte ihm eine Cola und setzte mich auch.
    »Kennen Sie den Kerl?« erkundigte sich Tony vorsichtig.
    »Wen, Mike? Ja, ich kenne ihn.«
    Tonys Blick wanderte zu Mike und wieder zurück, ruhte dann mit einem Ausdruck, der an Respekt grenzte, auf meinem Gesicht. Vielleicht war ich doch nicht so schlimm.
    »Hat dein Onkel dir erzählt, worum es geht?« fing ich an.
    »Ein bißchen. Er hat gesagt, um den Unfall und den alten Säufer.«
    »Ist es okay, wenn wir darüber reden?«
    Er zuckte bloß mit den Achseln und mied meinen Blick.
    »Ich nehme an, du warst nicht im Wagen.«
    Er strich sich den Pony aus der Stirn. »Hm-hm. Meine Mom und ich hatten Streit. Sie wollten zu meiner Oma fahren, Ostereier suchen, und ich hatte keine Lust.«
    »Lebt deine Großmutter noch irgendwo hier in der Stadt?«
    Er rutschte auf seinem Stuhl herum. »In einem Heim. Sie hatte ‘n Schlaganfall.«
    »Ist sie die Mutter deiner Mutter?« Das alles war mir zwar eigentlich nicht wichtig, aber ich hoffte, der Junge würde sich entspannen und offener werden.
    »Ja.«
    »Wie ist denn das Leben mit deiner Tante und deinem Onkel?«
    »Fein. Nichts Besonderes. Er schimpft zwar immer auf die ganze Sache, aber sie ist nett.«
    »Sie hat erzählt, du hättest Schwierigkeiten in der Schule.«
    »So?«
    »Ich bin einfach nur neugierig. Sie hat erzählt, du wärest sehr klug, aber deine Noten sind unter aller Sau. Ich habe mich gefragt, warum das so ist.«
    »Mir stinkt das eben. Ich mag’s nicht, wenn so Scheißtypen sich in meine Sachen mischen.«
    »Ach so.« Ich trank einen Schluck Cola. Seine Feindseligkeit war wie eine aufgebrochene Kloake, und ich dachte, es wäre besser, dem Ausbruch Gelegenheit zu geben, zu verebben. Mir machte es nichts aus, wenn er fluchte.

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