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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Darin übertraf ich ihn allemal.
    Als ich nicht reagierte, füllte er das Schweigen. »Ich versuche, meine Noten zu verbessern«, murrte er. »Ich mußte all diesen Quatsch nehmen, Mathe und Chemie. Darum bin ich nicht gut.«
    »Was magst du denn am liebsten? Englisch? Kunst?«
    Er zögerte. »Sind Sie so was wie ‘ne Psychologin?«
    »Nein. Ich bin Privatdetektiv. Ich dachte, das wüßtest du.«
    Er starrte mich an. »Ich begreif das nicht. Was hat denn das mit dem Unfall zu tun?«
    Ich zog den Scheck heraus und legte ihn auf den Tisch. »Der Mann, der dafür verantwortlich war, wollte, daß ich dich suche und dir das gebe.«
    Er nahm den Scheck und warf einen Blick darauf.
    »Das ist ein Kassenscheck über fünfundzwanzigtausend Dollar«, sagte ich.
    »Wofür?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, John Daggett wollte wiedergutmachen, was er angerichtet hatte.«
    Tonys Verwirrung war klar, aber ebenso die Wut, die damit einherging. »Ich will das nicht. Warum geben Sie den mir? Megan Smith ist genauso gestorben, und auch dieser andere Junge, Doug. Kriegen die auch Geld, oder nur ich?«
    »Soviel ich weiß, nur du.«
    »Dann nehmen Sie ihn zurück. Ich will das Geld nicht. Ich hasse diesen alten Bastard.« Er warf den Scheck auf den Tisch und versetzte ihm einen Stoß.
    »Hör mal, jetzt will ich dir erst mal was sagen. Du hast die Wahl. Ehrlich. Es liegt nur bei dir. Deine Tante war beleidigt von dem Angebot, und das kann ich verstehen. Niemand kann dich zwingen, das Geld anzunehmen, wenn du es nicht willst. Aber hör mich wenigstens zu Ende an, okay?«
    Tony starrte mit eisigem Gesicht durch den Raum.
    Ich senkte die Stimme. »Tony, es stimmt, John Daggett war ein Säufer, und vielleicht war er ein völlig wertloses menschliches Wesen. Aber er hat sich schlecht gefühlt für etwas, das er getan hat, und ich glaube, er hat versucht, das wiedergutzumachen. Das gesteh ihm wenigstens zu, und sag nicht nein, ohne zuerst darüber nachgedacht zu haben.«
    »Ich will kein Geld für das, was er getan hat.«
    »Ich bin noch nicht fertig. Laß mich erst zu Ende reden.«
    Seine Lippen zitterten. Er fuhr sich mit dem Jackenärmel an die Augen, aber er stand nicht auf und ging nicht fort.
    »Menschen machen Fehler«, sagte ich. »Die Leute tun Dinge, die sie nie tun wollten. Er hat niemanden absichtlich umgebracht...«
    »Er ist ein verdammter Säufer! Er war um neun Uhr morgens auf der verdammten Straße. Dad und Mom und Hilary...« Seine Stimme brach, und er rang um Beherrschung. »Ich will nichts von ihm. Ich hasse ihn und ich will seinen verdammten Scheck nicht.«
    »Warum löst du ihn nicht ein und verschenkst das Geld?«
    »Nein! Nehmen Sie ihn doch. Geben Sie ihn ihm zurück. Sagen Sie ihm, ich hätte gesagt, er sollte sich zum Teufel scheren.«
    »Das kann ich nicht. Er ist tot. Er wurde Freitag nacht ermordet.«
    »Gut. Das freut mich. Ich hoffe, jemand hat ihm das Herz aus dem Leib geschnitten. Das hätte er verdient.«
    »Vielleicht. Aber es ist immer noch möglich, daß er etwas für dich empfunden hat und dir etwas von dem zurückgeben wollte, was er dir fortgenommen hat.«
    »Was denn? Sie sind alle tot.«
    »Aber du nicht, Tony. Du mußt einen Weg finden, dein Leben fortzusetzen...«
    »He, das mache ich ja wohl, oder? Aber ich muß mir diesen ganzen Quatsch nicht anhören! Sie haben gesagt, was Sie zu sagen hatten, und jetzt will ich heim.«
    Er stand auf, strahlte Wut aus, sein ganzer Körper blieb steif. Hastig ging er zum hinteren Ausgang, stieß Stühle beiseite. Ich schnappte mir den Scheck und folgte ihm.
    Als ich zum Parkplatz kam, bearbeitete er das restliche Glas in dem eingeschlagenen Fenster meines Wagens mit den Fäusten. Ich setzte zum Protest an, hielt mich dann aber zurück.
    Warum nicht, dachte ich. Ich mußte die verdammte Scheibe ohnehin ersetzen. Ich stand da und sah ihm wortlos zu. Als er fertig war, lehnte er sich an den Wagen und weinte.

15

    Als ich Tony schließlich heimfuhr, war er ruhig, verschlossen, als wäre nichts Außergewöhnliches passiert. Ich hielt vor dem Haus. Er stieg aus, warf die Tür zu und lief wortlos den Weg entlang. Ich war ziemlich sicher, daß er den Ausbruch seiner Tante und seinem Onkel gegenüber nicht erwähnen würde, was ein Glück war, denn schließlich hatte ich geschworen, ich würde mich mit ihm unterhalten, ohne ihn aufzuregen. Allerdings war ich immer noch im Besitz von Daggetts Scheck, fragte mich, ob ich ihn bis an mein Lebensende herumschleppen

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