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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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übergeben müssen. Schließlich haben wir ihn zur Notauf nähme im St. Terrys gebracht. Sie haben ihm eine Spritze verabreicht, und danach hat er erst mal geschlafen. Aber vor einer Weile ist er wieder aufgewacht, und jetzt redet er nur davon, zur Beerdigung zu gehen. Hat er es Ihnen gegenüber erwähnt?«
    »Überhaupt nicht. Ich habe ihm erzählt, daß Daggett tot ist, aber er hat kaum darauf reagiert, hat nur gesagt, daß ihn das freuen würde. Fühlt er sich denn wohl genug, um zu gehen?«
    »Ich denke schon. Mit diesen Migräneanfällen ist das seltsam. Einen Moment glaubt man, er wird sich nie mehr davon erholen, und in der nächsten Minute ist er auf den Beinen und hat einen Mordshunger. Letzten Freitag war es dasselbe.«
    »Freitag?« Das war die Nacht von Daggetts Tod.
    »Diese Episode war nicht ganz so schlimm. Als er nach der Schule heimkam, wußte er, daß er am Rande eines Anfalls stand. Wir haben versucht, ihm etwas Medizin einzuflößen, um es abzubiegen, aber ohne Erfolg. Auf jeden Fall hat er sich nach kurzer Zeit wieder erholt, und es endete damit, daß ich ihm um zwei Uhr früh in der Küche Sandwiches geschmiert habe. Ihm ging es gut. Aber dann hatte er Dienstag wieder einen Anfall, und dann letzte Nacht. Und zwei in der Woche zuvor. Ferrin glaubt, daß es vielleicht symbolische Bedeutung haben könnte, wenn er an der Beerdigung teilnimmt. Sie wissen schon, es könnte einen Schlußpunkt für ihn bedeuten, er wäre dann wieder frei.«
    »Das ist immer möglich.«
    »Hätte Barbara Daggett wohl etwas dagegen?«
    »Ich wüßte nicht, warum sie das haben sollte. Ich vermute, sie hat ein ebenso schlechtes Gewissen wie ihr Vater, und sie hat ihre Hilfe angeboten.«
    »Na, dann werde ich mal sehen, wie es ihm geht, wenn ich heimkomme.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich gehe dann wohl besser.«
    »Lassen Sie mich Ihnen den Scheck geben.« Ich holte meine Handtasche aus der unteren Schublade und nahm den Scheck heraus, den ich ihr über den Schreibtisch hinweg reichte. Wie ihr Mann am Abend zuvor auch, strich sie das Papier glatt, musterte es gründlich, als könnte es sich um eine Fälschung handeln. Dann faltete sie es wieder und schob es in ihre Tasche, als sie aufstand. Sie hatte ihren Kaffee nicht angerührt. Und ich meinen genausowenig.
    Ich nannte ihr noch Zeit und Ort des Gottesdienstes und begleitete sie zur Tür. Nachdem sie fort war, setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch und ging in Gedanken noch einmal alles durch, was sie gesagt hatte. Ich hätte Tony Gahan am liebsten beiseite genommen und gefragt, ob er ihre Gegenwart im Haus am Abend von Daggetts Tod bestätigen könnte. Es war schwer, sie als Mörderin zu sehen, aber ich hatte mich auch früher schon geirrt.

1 7

    John Daggetts Trauerfeier fand in einem obskuren Ableger der christlichen Kirche statt. Das Gebäude selbst war ein einstöckiges, gelb verputztes Haus, bar jeglicher Verzierung, das direkt an der Durchgangsstraße lag — die Art von Kapelle, wie man sie durch das Gebüsch schimmern sieht, wenn man irgendwohin fährt. Ich kam zu spät. Nachdem ich endlos aufgehalten worden war, hatte ich meinen Wagen schließlich um Viertel vor zwei bei der Werkstatt abgeholt, und ich muß gestehen, ich verbrachte ein paar zufriedene Minuten damit, das neue Fenster auf- und zuzudrehen. Der Nieselregen nahm zu, und ich war froh, daß es nicht in meinen Wagen regnen konnte.
    Als ich den kiesbedeckten Parkplatz neben der Kirche erreichte, hatten sich dort bereits fünfzig Autos auf einen Platz für fünfunddreißig gezwängt. Ein paar Fahrzeuge hatten sich auf den leeren Platz nebenan gewagt, und einige drängten sich an dem Zaun entlang der Straße. Ich war gezwungen, an der Kirche vorbeizufahren, mir einen Flecken am Ende einer langen Autoreihe zu suchen und zurückzugehen. Ich konnte bereits elektronische Orgelmusik hören, die besser zu einer Rollschuhbahn als in ein Gotteshaus gepaßt hätte. Von einem Schild vor dem Haus erfuhr ich, daß sich der Prediger »Pastor« nannte anstelle von »Reverend«, und ich fragte mich, ob das von Bedeutung wäre. Pastor Howard Bowen. Der Kirchenname setzte sich aus einer langen Reihe von Worten zusammen und rief in mir ungute Erinnerungen an die Organisation wach, die Traktätchen von Tür zu Tür verteilt. Ich hoffte nur, daß sie nicht zu erpicht auf neue Anhänger waren.
    Mr. Sharonson von Wynington-Blake stand allein auf der niedrigen Treppe und schenkte mir einen schmerzerfüllten

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