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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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weshalb ich mir Sorgen machte. Manchmal wache ich auf und bin mir einer unterschwelligen Angst bewußt, die in meinen Eingeweiden wühlt. Dann ist Laufen die einzige Erleichterung, die ich finden kann, abgesehen von Alkohol und Drogen, und die mag ich um sechs Uhr früh nicht.
    Ich zog einen Jogging-Anzug an und lief zum Fahrradweg, joggte anderthalb Meilen bis zum Sportzentrum. Die Palmen, die den Boulevard säumten, hatten trockene Palmwedel abgeworfen, die jetzt wie aufgeweichte Federn im Gras lagen. Der Ozean war silbrig, die Brandung rauschte wie ein Taftrock mit einer weißen Rüsche. Der Strand war dumpf-braun, bevölkert von Seemöwen, die nach Sandflöhen schnappten. Tauben erhoben sich in einer Wolke und schauten zu. Ich muß gestehen, daß ich im Grunde meines Herzens kein Mensch bin, der die freie Natur liebt. Ich bin mir immer bewußt, daß unter dem fröhlichen Gezwitscher der Vögel Knochen brechen und Fleischstreifen abgefetzt werden, alles ein Werk dieser knopfäugigen Kreaturen ohne Gefühl oder Gewissen. Ich suche in der Natur weder Trost noch Freude.
    Es herrschte nur wenig Verkehr. Ich traf keine anderen Jogger. Ich kam an den öffentlichen Toiletten vorbei, die in einem fleischfarben gestrichenen Ziegelgebäude untergebracht waren, in dem sich jetzt zwei Penner mit einem Einkaufswagen zusammenkauerten. In einem erkannte ich den, den ich zwei Tage vorher gesehen hatte. Jetzt betrachtete er mich gleichgültig. Sein Freund hatte sich unter einem Pappkarton zusammengerollt, der ihm als Decke diente. Er sah aus wie ein Haufen alter Lumpen. Ich erreichte den Rundweg und rannte die anderthalb Meilen zurück. Als ich heimkam, waren meine Turnschuhe aufgeweicht und meine Hose vom Nieselregen dunkel, und der Nebel perlte in meinem Haar. Ich nahm eine lange, heiße Dusche. Jetzt, wieder sicher daheim, kehrte mein Optimismus zurück.
    Nach dem Frühstück räumte ich auf und überprüfte dann meine Kfz-Versicherungs-Police, entschied, daß die Erneuerung meines Fensters nach Abzug von fünfzig Dollar gedeckt sein würde. Um halb neun fing ich an, Kostenvoranschläge von Autoglasereien einzuholen und versuchte, jemanden zu überreden, mich noch am selben Tag vor Mittag einzuschieben. Ich zog wieder mein Allzweck-Kleid an, grub eine anständig aussehende, schwarze Ledertasche aus, die ich bei »offiziellen« Anlässen einsetze, und füllte sie mit dem Notwendigsten, einschließlich des verfluchten Schecks.
    Ich ließ den Wagen in einer Werkstatt nicht weit von meinem Büro und legte den Rest des Weges zu Fuß zurück. Selbst mit flachen Pumps taten mir die Füße weh, und meine Strumpfhose gab mir das Gefühl, als würde ich mit einer heißen, feuchten Hand im Schritt herumlaufen.
    Ich schloß das Büro auf und brachte meine übliche Morgenroutine hinter mich. Das Telefon klingelte, als ich gerade die Kaffeemaschine einstöpselte.
    »Miss Millhone, hier spricht Ramona Westfall.«
    »Oh, hallo. Wie geht’s?« Insgeheim schlug mein Magen Purzelbäume und ich fragte mich, ob Tony Gahan ihr erzählt hatte, wie er am Vorabend beim Clockworks ausgerastet war.
    »Mir geht’s gut. Aber ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen und hatte gehofft, daß Sie vielleicht heute morgen etwas Zeit für mich haben.«
    »Ja, mein Terminkalender ist frei, aber ich habe keinen Wagen. Können Sie herkommen?«
    »Natürlich. Das wäre mir ohnehin lieber. Paßt Ihnen zehn Uhr? Es ist sehr kurzfristig, das weiß ich.«
    Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Zwanzig Minuten. »Das paßt mir gut.« Sie gab noch ein paar Laute des Abschieds von sich und legte auf. Ich drückte auf die Gabel und rief dann Barbara Daggett im Haus ihrer Mutter an, um die Zeit des Begräbnisses bestätigen zu lassen. Sie konnte nicht an den Apparat kommen, aber Eugene Nickerson sagte mir, daß der Gottesdienst um zwei Uhr abgehalten werden würde, und ich versprach, dort zu sein.
    Ich brauchte ein paar Minuten, um die Post vom Vortag zu öffnen, rief dann meine Versicherungsagentin an und gab ihr einen knappen Bericht über mein Autofenster. Ich hatte kaum den Hörer aufgelegt, als das Telefon schon wieder klingelte.
    »Kinsey, hier ist Barbara Daggett. Es hat sich da etwas ereignet. Als ich heute morgen hier ankam, saß eine Frau auf den Stufen zur Veranda; sie erklärte, sie wäre Daddys Frau.«
    »O Gott. Lovella.«
    »Sie wissen von ihr?«
    »Ich habe sie letzte Woche kennengelernt, als ich in L. A. war und versucht habe, eine Spur zu Ihrem

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