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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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macht das Leben ja solchen Spaß. Ich habe jemanden hier. Ich sehe Sie heute nachmittag.«
    Ich legte auf und erhob mich, schüttelte Mrs. Westfall über den Schreibtisch hinweg die Hand. Ich forderte sie auf, Platz zu nehmen, und schenkte uns dann beiden eine Tasse Kaffee ein, wobei ich hoffte, daß das gesellschaftliche Ritual sie entspannen würde.
    Sie wirkte abgespannt, die feine Haut unter ihren sanften Augen war vor Müdigkeit gerötet. Sie trug ein braunes Popelinhemd mit Schulterklappen und hatte eine große Leinenhandtasche bei sich, die aussah, als ob sie die Ausrüstung für eine kurze Safaritour enthielte. Ihr helles Haar glänzte wie auf einer Shampoo-Anzeige in einer Zeitschrift. Ich versuchte, sie mir in einem Regenmantel vorzustellen, wie sie durch den Hafen stolperte, mit Daggetts Arm um ihre Schulter. Könnte sie ihn einfach so aus dem Boot gestoßen haben? Ja klar. Warum nicht?
    Sie starrte mich verlegen an, streckte automatisch die Hand aus, um ein paar Gegenstände auf meinem Schreibtisch zu ordnen. Sie legte drei Bleistifte mit der Spitze zu mir nebeneinander, so daß sie wie kleine Raketengeschosse wirkten, und dann räusperte sie sich.
    »Äh, wir haben überlegt. Tony hat uns nichts erzählt, deshalb dachten wir, wir sollten Sie fragen. Haben Sie Tony von dem Geld erzählt, als Sie gestern abend mit ihm gesprochen haben?«
    »Sicher. Nicht, daß es etwas geholfen hätte. Es hat mich nicht weitergebracht. Er war stur. Er wollte nicht einmal darüber reden.«
    Sie lief rot an. »Wir denken daran, es zu nehmen«, sagte sie. »Ferrin und ich haben gestern abend darüber gesprochen, als Tony mit Ihnen aus war, und wir glauben, wir sollten das Geld in einen Treuhandfonds für ihn einzahlen... wenigstens, bis er achtzehn ist und wirklich ein Gefühl dafür hat, was er damit machen kann.«
    »Wie kam es zu diesem Wechsel?«
    »Ach, das hat wohl verschiedene Gründe, denke ich. Wir waren zur Familienberatung, und der Therapeut hofft immer noch, daß wir einen Teil des Zorns und Kummers aufarbeiten können. Er meint, daß Tonys Migräneanfälle ein Zeichen seiner Unwilligkeit sind — oder vielleicht ist Unfähigkeit das bessere Wort — , seinen Verlust zu verarbeiten. Ich habe mich gefragt, wieviel Schuld mich daran trifft. Ich bin mit Abbys Tod nicht sehr gut fertiggeworden, und das hat ihm wohl nicht gerade geholfen.« Sie brach ab, schüttelte dann leicht den Kopf, als wäre sie verlegen. »Ich weiß, das ist ein Umschwung. Ich schätze, wir waren unnötig grob zu Ihnen, und es tut mir leid.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich persönlich wäre entzückt, wenn Sie den Scheck annehmen würden. Dann hätte ich doch wenigstens das Gefühl, meine Pflicht getan zu haben. Wenn Sie Ihre Meinung später ändern, können Sie das Geld immer noch einer guten Sache zukommen lassen. Davon gibt es eine Menge.«
    »Was ist mit seiner Familie? Daggetts, meine ich. Sie glauben vielleicht, sie hätten Anspruch auf das Geld, meinen Sie nicht? Ich meine, ich möchte es nicht nehmen, wenn das einen Rechtsstreit nach sich ziehen würde.«
    »Darüber müßten Sie mit einem Anwalt sprechen«, sagte ich. »Der Scheck ist auf Tony ausgestellt, und Daggett hat mich angeheuert, um ihn ihm zuzustellen. Ich glaube, an seiner Absicht kann kein Zweifel bestehen. Trotzdem können Sie ja erst einmal mit einem Notar sprechen.« Insgeheim wollte ich nur, daß sie den blöden Scheck nahm und damit verschwand.
    Sie starrte einen Moment lang auf den Boden. »Tony sagte... er hat gestern abend erwähnt, er würde gern zum Begräbnis gehen. Meinen Sie, daß er das tun sollte? Ich meine, scheint Ihnen das eine gute Idee zu sein?«
    »Ich weiß es nicht, Mrs. Westfall. Das gehört nicht in meinen Bereich. Warum fragen Sie nicht seinen Therapeuten?«
    »Das habe ich versucht, aber er ist bis morgen außerhalb. Ich möchte nicht, daß Tony sich noch mehr aufregt, als er es ohnehin schon tut.«
    »Er wird fühlen müssen, was er fühlt. Das können Sie nicht kontrollieren. Vielleicht ist das etwas, was er durchmachen muß.«
    »Das sagt Ferrin auch, aber ich bin mir nicht sicher.«
    »Wie ist das mit seiner Migräne? Wie lange hat er die schon?«
    »Seit dem Unfall. Auch gestern abend hatte er einen Anfall. Es ist nicht Ihre Schuld«, beruhigte sie mich hastig. »Sein Kopf fing an, ihm weh zu tun, ungefähr eine Stunde nachdem er heimgekommen war. Von Mitternacht bis fast vier Uhr früh hat er sich fast alle zwanzig Minuten

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