Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
auszuschalten.«
»Wenn wir schon davon sprechen, haben Sie irgendwas von California Fidelity gehört?«
Sein Ton änderte sich. »Ja, gestern. Sie übergeben alles der Polizei.«
Ich fühlte, wie sich mein Magen zusammenzog. »Wirklich? Haben sie denn genug in der Hand, um einen Fall daraus zu machen?«
»Ich weiß nicht. Hoffentlich nicht. Hören Sie, ich muß unter vier Augen mit Ihnen sprechen, und hier kann ich das nicht. Es ist wichtig. Können wir uns irgendwo treffen?«
Ich erzählte ihm, daß ich später bei Olive sein würde, und wir machten aus, dort miteinander zu reden. Ich war nicht scharf darauf, in seiner Gesellschaft gesehen zu werden, aber er schien darauf zu bestehen, und ich wußte in diesem Moment nicht, was noch hätte schlimmer werden sollen. Ich war keiner Verschwörung schuldig, und ich war es müde, mich zu verhalten, als wäre ich es...
Um mich abzulenken, ging ich los und kaufte ein Paar hochhackige Schuhe. Aber je später es wurde, desto nervöser wurde ich. Eine Woche der Isolation hatte mir gezeigt, daß ich doch über ein paar soziale Impulse verfüge — wenn auch vielleicht versteckt unter einer Schicht von Vorsicht. Es war ein bißchen wie früher, als wir Mädchen uns zum erstenmal richtig schick machten, und ich freute mich darauf. Ich fing sogar an, Olive zu mögen, deren Lebensstil mir erst gestern noch oberflächlich und egoistisch erschienen war. Wer war ich, daß ich das beurteilen wollte? Es ging mich nichts an, wie sie ihren Frieden mit der Welt machte. Sie hatte sich aus Tennis und Einkaufengehen ein Leben zurechtgezimmert, aber es gelang ihr, gelegentlich ein gutes Werk zu tun, was ich von mir nicht behaupten konnte. In einem Punkt hatte sie recht: Der Schaden in der Welt wird von denjenigen angerichtet, die sich entrechtet und mißbraucht fühlen. Zufriedene Menschen überfallen in der Regel keine Banken und ermorden auch nicht ihre Mitbürger.
Ich dachte daran, noch ins Fitneßstudio zu gehen, verwarf diese Idee aber wieder. Ich war zwar seit Dienstag nicht mehr da gewesen, hatte aber einfach keine Lust. Statt dessen legte ich mich mitten am Tag aufs Ohr.
Um 15 Uhr gönnte ich mir ein langes Schaumbad... nun ja, ich nahm Geschirrspülmittel, aber es schäumte wirklich schön. Ich wusch mein Haar und kämmte es zur Abwechslung einmal. Ich schmierte mir ein Zeug ins Gesicht, das ich mal als Makeup gekauft hatte, und zwängte mich dann in Unterwäsche und eine Strumpfhose. Das Kleid war Spitze, und es saß wie angegossen, raschelte genauso wie Olives am Abend zuvor. Ich hatte nie ein Vorbild für dieses weibliche Zeug gehabt. Nach dem Tod meiner Eltern, als ich fünf war, hatte mich eine unverheiratete Tante aufgezogen, die selbst nicht gerade eine Expertin war, wenn es um feminine Dinge ging. Meine Kindheit hatte ich mehr mit Büchern und Pistolen verbracht, hatte Bescheidenheit gelernt, die in ihren Augen sehr wichtig war. Als ich in die Junior High-School eintrat, war ich in dieser Beziehung schon völlig verdorben, und in der High-School tat ich mich dann mit ein paar schlimmen Jungs zusammen, die fluchten und Hasch rauchten, zwei Dinge, die ich schon im zarten Alter lernte. Obwohl ich gesellschaftlich eine Null bin, hat meine Tante mir doch feste Wertmaßstäbe beigebracht, die sich am Ende durchsetzten. Als ich meinen Abschluß machte, war ich mit dem allen fertig, und heute bin ich ein Idealbürger, der nur hin und wieder mal gegen ein kleines Gesetz verstößt. In meinem tiefsten Herzen bin ich immer eine Moralistin gewesen. Die Arbeit als Privatdetektivin gibt mir bloß die Möglichkeit, mich auszutoben.
Um 1 6 Uhr 30 stand ich vor der Tür der Kohlers und lauschte der Uhr, die im Haus schlug. Es sah nicht so aus, als wenn jemand hier wäre. Post ragte aus dem Briefkasten, die Zeitung und ein Paket in braunem Papier lagen auf der Fußmatte. Ich spähte durch eine der hohen Glasscheiben zu beiden Seiten der Eingangstür. Das Foyer war dunkel, und auch hinten im Haus war kein Licht zu sehen. Wahrscheinlich war Olive noch nicht aus dem Supermarkt zurück. Die Katze bog um die Ecke des Hauses, mit ihrem langen, weißen Fell und der stumpfen Nase. Irgendwie kam sie mir wie ein Mädchen vor, aber was weiß ich schon davon? Ich sagte ihr ein paar katzenartige Dinge, die sie aber nicht zu beeindrucken schienen.
Dann hörte ich eine Autohupe. Das elektronische Tor rollte beiseite, und ein weißer Mercedes 300 SL bog in die Auffahrt ein. Olive winkte, und ich ging
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