Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Füße war bleich. Ich konnte die feinen Vernarbungen in seinen Armbeugen sehen. Nach dem Fieber der Verfolgungsjagd und dem damit verbundenen Adrenalinschub ließ jetzt offenbar die euphorische Wirkung des Heroins nach. Das Zucken hatte wieder begonnen. Die seltsamen Kurzschlüsse in seinem Nervensystem produzierten eine Serie von Reaktionen, die so wirkten, als bekäme er lauter kleine Stromschläge. Sein Mund öffnete sich, und er warf den Kopf nach rechts. Sein Körper ruckte und hüpfte genauso unkontrolliert wie mein Bein, wenn der Arzt mit dem Gummihämmerchen den Kniereflex prüft. Vielleicht lebte Raymond ja ständig mit lauter kleinen unsichtbaren Gummihämmern, die den ganzen Tag lang in wechselnden Rhythmen auf ihm herumklopften und sämtliche Reflexe prüften... den Silberhämmerchen eines Heers von Elfen und Feen, die ihn bearbeiteten wie ein Werkstück. Ein falsches Zucken seiner rechten Hand, und er würde mich durchlöchern. Meine eigene Adrenalinwoge war versickert, und ich war einfach nur noch erschöpft.
    »Bitte, Raymond, lassen Sie mich gehen. Ich will nach Hause«, sagte ich matt.
    »Hier lass’ ich Sie nicht raus. Zu gefährlich. Sie würden nicht mal heil bis zur nächsten Ecke kommen.«
    Ich wäre fast laut herausgeplatzt angesichts dieser absurden Fürsorglichkeit. Da saß dieser Mensch neben mir, die Pistole im Anschlag und vermutlich bereit, mich umzulegen, aber zu besorgt um meine Sicherheit, um mich in einer dubiosen Gegend allein auf die Straße zu lassen. Raymond drückte jetzt wieder eine Telefonnummer. Er kam mir vor wie ein dynamischer Manager.
    Am anderen Ende wurde abgenommen.
    »Hallo, n’ Abend«, sagte er. »Ich hab’ ein Problem. Mir ist gerade mein Auto gestohlen worden...«
    Ich rutschte tief in meinen Sitz, presste die Knie gegen das Armaturenbrett und verfolgte staunend, wie Raymond der Polizei sein Hilfsersuchen in Sachen Cadillac vortrug. Aus seiner Seite des Gesprächs schloss ich, dass man ihn aufforderte, zum 77. Revier zu fahren und dort Diebstahlsanzeige zu erstatten. Aber er war die Kooperationsbereitschaft in Person, der brave Bürger, der seine gerechte Sache vertrauensvoll in die Hände der Gesetzeshüter legt. Er hängte ein, und wir schwiegen beide den ganzen Weg bis zu Luis’ Wohnung.
    Wir hielten am Bordstein, und Raymond hupte kurz. Gleich darauf erschien Luis mit Perro an der Leine. Raymond zog die Handbremse an und stieg aus. »Du fährst«, sagte er zu Luis.
    Luis verfrachtete den Hund in die Mitte zwischen den Vordersitzen und setzte sich ans Steuer. »Wohin?«
    »Polizeirevier.«
    Luis fuhr los. Perro lehnte sich an mich und pustete mir seinen stinkenden Hechel-Atem ins Gesicht. Er hätte wohl lieber selbst am Fenster gesessen und den Kopf nach draußen gestreckt und seine Ohren im Fahrtwind flattern lassen.
    Luis sah Raymond via Rückspiegel mit verhaltenem Interesse an. »Was ist denn los?«
    »Bibianna hat den Caddy geklaut. Wir müssen Anzeige erstatten.«
    »Bibianna hat den Caddy geklaut?«
    »Ja, ist doch nicht zu fassen, was? Nach alledem, was ich für sie getan habe. Ich hab’ Chopper gerufen und hinter ihr hergeschickt. Ich hab’ keine Zeit für solchen Kram. Du verstehst schon.«
    Luis sagte nichts. Ich sah, wie er einen verstohlenen Seitenblick zu mir herüberwarf. Aber was sollte ich sagen?
    Dann waren wir beim 77. Revier. Luis parkte den Wagen am Straßenrand und stieg aus. Er nahm Raymonds Instruktionen durch das hintere Seitenfenster entgegen. »Und die Zulassung?«, fragte er.
    »Liegt im Wagen«, sagte Raymond gereizt.
    »Soll ich ihnen deine Telefonnummer geben?«
    »Wie sollen sie mich sonst benachrichtigen, wenn sie den Wagen haben?«
    »Ah.«
    »Ah«, äffte ihn Raymond nach.
    Luis verschwand.
    »Schwachkopf«, murmelte Raymond. Er trat gegen meine Sitzlehne. »He, ich hab’ immer noch die Kanone in der Hand«, sagte er. »Ich hab’ nicht vergessen, was Sie da vorhin gemacht haben.«
    Ich wartete mit Raymond im Wagen, durch Perros Masse auf meinem Sitz eingezwängt. Ich hoffte inständig, dass ein Polizist vorbeikommen würde. Dann könnte ich um Hilfe schreien. Mehrere Streifenwagen zischten an uns vorbei, aber niemand schien zu merken, dass diese verwahrloste Gestalt da in dem Auto eine hochwichtige Undercover-Agentin war. Ich starrte zu der keine zwanzig Meter entfernten Wache hinüber.
    Luis kam wieder zurück und stieg wortlos ein. Er sah in den Rückspiegel. Ich drehte mich um und merkte erst jetzt, dass Raymond

Weitere Kostenlose Bücher