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Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass

Titel: Kinsey Millhone 06 - Dunkle Geschaefte - H wie Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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der Fußboden war so dreckig, dass ich das Spuckediagramm ohne weiteres erkennen konnte. Sie sagte: »Das ist ja irre. Sehen Sie das? Die Fünf steht für Wandel und Bewegung. Sie haben gleich drei davon. Das ist stark. Reisen und so was, verstehen Sie? Selbstentfaltung. Sie sind ein Mensch, der immer Action braucht, Bewegung. Die Null da heißt, dass es für Sie keine Grenzen gibt. Sie können alles. Ich meine, was Sie auch anfangen, Sie kriegen es hin. Aber Sie können sich leicht verzetteln. Vor allem mit den drei Fünfen da. Macht es schwer für Sie, sich was rauszusuchen. Vom Job her brauchen Sie was, was nicht immer gleich ist. Verstehen Sie, was ich meine? Sie müssen immer da sein, wo was los ist...«
    Sie sah mich Bestätigung heischend an.
    »Wahnsinn«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel.
    Nettie warf uns einen tadelnden Blick zu. Sie hatte den Arm um Heather gelegt, die sich Wärme suchend an sie schmiegte. »Wir versuchen hier grade, eine Runde zu schlafen. Könntet ihr vielleicht mal leise sein?«
    »‘tschuldigung«, sagte Bibianna. Sie streckte sich auf ihrer Matratze aus und versuchte, es sich bequem zu machen. Das Gitter, das sie auf den Boden gemalt hatte, schien in dem Schummerlicht regelrecht zu glimmen. Die Glühbirne in der Zelle blieb offenbar an, aber immerhin war es einigermaßen warm. Von den Gängen draußen kamen Zeichen unverminderter Aktivität: Telefonklingeln, Schritte, Gemurmel, das Zuschlägen einer Zellentür. In Abständen schien ein Wölkchen Zigarettenrauch durch die Lüftungsöffnungen zu dringen. Irgendwo auf dem Stockwerk unter uns lagen die Schlafräume der fünfzig bis sechzig Frauen, die hier jeweils einsaßen. Ich fühlte, wie ich langsam davondriftete. Wenigstens waren wir im Trockenen, und die bösen Schurken konnten uns nichts anhaben. Es sei denn, »sie« wären jemand, der mit uns hier drinnen saß. Ein schöner Gedanke.
    »Eins ist gut«, murmelte Bibianna schläfrig.
    »Was?«
    »Den Joint haben sie nicht gefunden...«
    »Sie Glückskind.«
    Dann war alles still, bis auf das gelegentliche Rascheln, wenn eine von uns sich auf ihrer Matratze umdrehte. Die magere weiße Frau begann, leise zu schnarchen. Ich lag da und war Bibianna in Gedanken herzlich zugetan. Ich dachte, dass sie mir jetzt immer in Erinnerung bleiben würde, als die Frau, mit der ich das erste Mal eingeknastet worden war, eine Form der Frauensolidarität, die kaum je gewürdigt wird. Noch viel besser hätte ich mich gefühlt, wenn Jimmy Tate uns zur Seite gestanden wäre, obwohl ich nicht recht wusste, was er denn hätte tun können. Jetzt gerade steckte er vermutlich in einer Zelle drüben im Männertrakt, in einem kaum heitereren Ambiente. Der verrückte Jimmy Tate und Bibianna Diaz, was für ein Paar...

10

    Das nächste, was ich mitbekam, war das Klimpern eines Schlüsselbunds. Ich riss die Augen auf. Eine Wachbeamtin schloss die Tür auf. Sie war klein und stämmig und sah aus, als brächte sie eine Menge Zeit mit Krafttraining zu. Die vier anderen in der Zelle schliefen noch. Die Wachbeamtin zeigte auf mich. Ich stützte mich verschlafen auf den Ellbogen hoch und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich zeigte mit dem Finger auf meine Brust — meinte sie mich? Sie wedelte ungeduldig mit der Hand. Offenbar wollte sie, dass ich zur Tür kam. Ich rappelte mich so leise wie möglich hoch. Ich konnte an nichts ablesen, wie spät es sein mochte oder wie lange ich geschlafen hatte. Ich fühlte mich zerschlagen und desorientiert. Sie öffnete wortlos die Tür, und ich schlüpfte hinaus. Ich folgte ihr auf Socken den Gang hinunter und hatte nur den einen Wunsch, mir die Zähne zu putzen.
    Ich war mal eine Zeit lang mit einem Polizisten zusammen gewesen, der sich einen Schreibtisch von knapp zweifünfzig auf dreidreißig hatte bauen lassen und gern kundtat, dass die Maße die gleichen waren wie die der Zwei-Mann-Zellen im Folsom-Gefängnis. Der Raum, in den ich jetzt gebracht wurde, hatte etwa diese Größe und enthielt einen schlichten Holztisch, drei hölzerne Stühle mit steilen Lehnen und eine Milchglaskugel über einer Glühbirne. Ich hätte wetten können, dass irgendwo ein Tonband installiert war. Ich spähte unter den Tisch. Kein Kabel zu sehen. Ich setzte mich auf einen der Stühle und fragte mich, wie ich es am besten schaffen konnte, einen einigermaßen gesitteten Eindruck zu machen. Ich wusste, ich sah verheerend aus. Meine Haare fühlten sich verfilzt an und standen vermutlich

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