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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mir sehr unangenehm, Sie zu fragen, aber könnten Sie...?«
    »Schon gut. Ich bin gleich unten.«
    »Danke.«
    Da ich mich gar nicht erst ausgezogen hatte, putzte ich nur die Zähne und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, ln meiner Jugend hatte es Zeiten gegeben, da war es mir wie ein Abenteuer erschienen, die ganze Nacht durchzumachen. Ich erinnerte mich an das herrlich prickelnde Gefühl, wenn der Morgen graute und meine physische Energie mir unerschöpflich erschien. Jetzt hatte versäumter Schlaf nur noch eine seltsame Hochstimmung zur Folge, in der sich die nahende Erschöpfung bereits ankündigte. Vorerst allerdings ging es mir noch gut, und ich reckte mich, um in Schwung zu kommen. Kaffee würde helfen, wenn auch der unvermeidliche Zusammenbruch dadurch nur hinausgezögert wurde.
    Ori saß aufrecht im Bett und spielte mit den Bändern an ihrem Nachthemd. Die Unordnung auf ihrem Nachttisch und der Geruch von Alkohol deuteten darauf hin, dass Ann den täglichen Blutzuckertest schon durchgeführt und ihrer Mutter die morgendliche Dosis Insulin gespritzt hatte. Auf dem Medizintablett lag Pflaster, zusammengeknüllt wie ein Klumpen Kaugummi, daran klebte noch ein blutbefleckter Mulltupfer. Die Blutspur auf dem Teststreifen war zu einem rostbraunen Strich eingetrocknet. Und das alles vor dem Frühstück! Ich spürte, wie meine Augen wegzurutschen drohten, und zwang mich dazu, wie eine gute Krankenschwester herumzuhantieren und mich nützlich zu machen. An den Anblick von Toten war ich auf Grund langjähriger Erfahrung gewöhnt, aber angesichts dieser Abfälle drehte sich mir fast der Magen um. Resolut warf ich alles in einen Plastikkorb, den ich außer Sichtweite stellte und ordnete Tablettenröhrchen, Wasserglas, Karaffe und Bandagen auf dem Nachttisch neu an. Normalerweise wurden Oris Beine bandagiert, doch heute wollte sie sie offenbar lüften. Ich versuchte, nicht hinzusehen auf ihre unförmigen, wabbeligen Waden und die eiskalten, schlecht durchbluteten Füße mit den blaugrauen, trockenen, schuppigen Zehen. An der Innenseite des rechten Fußgelenks hatte sie ein talergroßes Ekzem.
    »Ich muss mich einen Augenblick setzen«, murmelte ich.
    »Kleines, Sie sind ja leichenblass! Gehen Sie in die Küche und trinken Sie ein Glas Saft.«
    Der Orangensaft half tatsächlich, und ich aß ein Stück Toastbrot dazu. Anschließend räumte ich auch die Küche noch auf, um vorerst nicht zu der Frau im Nebenzimmer zurückzumüssen. Dreitausend Arbeitsstunden als Privatdetektivin hatten nicht ausgereicht, mich auf die Nebenbeschäftigung als Haussklavin vorzubereiten. Es kam mir fast so vor, als ob ich die Hälfte meiner Arbeitszeit an diesem Fall mit Geschirrspülen verbrachte. Wie kam es bloß, dass Magnum solche Tätigkeiten nie hatte verrichten müssen?
    Gegen halb elf endlich erschien Maxine mit ihrem Putzwerkzeug in einem Plastikeimer am Arm. Sie gehörte zu den Frauen, die gut hundert Pfund Übergewicht wie eine wabbelnde Gummihülle mit sich herumtrugen. Sie hatte einen Schneidezahn in Form und Farbe eines rostigen Nagels. Übergangslos nahm sie einen Staublappen aus dem Eimer und begann, sich wischend durchs Zimmer fortzubewegen. »Tut mir Leid, dass ich so spät komme, aber mein alter Wagen is ums Verrecken nich angesprungen. Ich hab John Robert gebeten, mit dem Überbrückungskabel zu kommen. Aber ich musste ‘ne halbe Stunde warten, bis er endlich da war. Das mit Royce hab ich schon gehört. Der Himmel beschütze ihn.«
    »Ann soll mich heute Abend zu ihm fahren«, sagte Ori. »Vorausgesetzt, ich fühle mich gut genug.«
    Maxine schnalzte nur mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Möchte wetten, dass Sie noch nichts von Bailey gehört haben. Wer weiß, wo der steckt!«
    »Ich bin ganz krank vor Sorge. Ich hab ihn noch nicht einmal gesehen nach all den Jahren. Und jetzt ist er wieder weg.«
    Maxine zog ein Gesicht, das Mitgefühl und Bedauern ausdrücken sollte. Dann schwenkte sie aufmunternd ihr Staubtuch. »Mary Burney macht sich zum Gespött der ganzen Stadt! Sie hat sämtliche Fenster verrammelt und ein Vorhängeschloss an der Tür. Sie ist fest überzeugt, dass Bailey bei ihr auftauchen und sie entführen wird.«
    »Aber weshalb das denn?«, fragte Ori völlig verdutzt.
    »Also, dass Mary besonders helle ist, habe ich noch nie behauptet, aber die halbe Stadt hat sich bis an die Zähne bewaffnet. Im Radio haben sie gesagt, er würde vielleicht Unterschlupf bei alten Bekannten suchen. So was Dämliches!

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