Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser
schließlich, ich hätte auch ohne dieses Gezerre Schon Sorgen genug, und klinkte mich aus der Sache aus. Die beiden schienen das nicht einmal zu merken. Sie waren seit der siebten Klasse zusammen, als sie beide dreizehn Jahre alt gewesen waren. Eines Tages würde ich wohl in der Lokalzeitung lesen, daß sie silberne Hochzeit feierten und Geschenke aus Recyclingaluminium willkommen seien.
Jonah war noch im Vermißtendezernat tätig. Er meldete sich abrupt, auf knappe, sachliche Polizistenart. »Lieutenant Robb«, sagte er.
»Oh, alle Achtung, Lieutenant. Du bist befördert worden. Gratuliere. Hier spricht die Stimme aus der Vergangenheit. Kinsey Millhone«, sagte ich.
Ich amüsierte mich über den Moment verblüfften Schweigens, den er offenbar brauchte, um sich zu vergegenwärtigen, wer ich war, und stellte mir vor, wie er sich plötzlich in seinem Sessel zurücklehnte. »Na so was! Hallo, Kinsey. Wie geht es dir?«
»Gut, danke. Und dir?«
»Nicht schlecht. Hast du eine Erkältung? Ich habe deine Stimme gar nicht erkannt. Du klingst so nasal.«
Wir erledigten die Formalitäten und brachten einander aufs laufende, was nicht viel Zeit in Anspruch nahm. Ich erzählte ihm, daß ich bei der California Fidelity aufgehört hatte. Er erzählte mir, daß Camilla zu ihm zurückgekehrt war. Es war nicht viel anders, als wenn man fünfzehn Episoden seiner Lieblingsseifenoper verpaßt. Man schaltet sich nach Wochen wieder dazu und stellt fest, daß man im Grunde überhaupt nichts versäumt hat.
Jonah gab mir einen kurzen Bericht, der sich wie das Exposé der Handlung anhörte. »Ja, sie hat letzten Monat zu arbeiten angefangen — als Gerichtsstenografin. Ich glaube, sie ist jetzt glücklicher. Sie hat etwas eigenes Geld, und alle scheinen sie zu mögen. Sie findet den Job interessant. Und dadurch bekommt sie auch mehr Verständnis für meine Arbeit. Das ist für uns beide sehr gut.«
»Na prima. Das klingt wirklich gut«, sagte ich. Es fiel ihm wohl auf, daß ich nicht nach weiteren Einzelheiten gierte. Die Unterhaltung setzte aus wie der Motor eines Flugzeugs kurz vor dem Absturz. Es bekümmerte mich zu sehen, wie wenig ich einem Menschen zu sagen hatte, der einmal soviel Platz in meinem Bett eingenommen hatte.
»Du möchtest wahrscheinlich gern wissen, warum ich mich bei dir melde«, sagte ich.
Jonah lachte. »Stimmt. Ich meine, ich freue mich natürlich, von dir zu hören, aber ich dachte mir gleich, daß es einen konkreten Anlaß gibt.«
»Erinnerst du dich an Wendell Jaffe? Den Mann, der von seinem Segelboot verschwand...«
»Oh! Ja, ja, natürlich.«
»Er ist in Mexiko gesehen worden. Es ist möglich, daß er sich auf dem Weg nach Kalifornien befindet.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
»Doch.« Ich gab ihm einen stark gekürzten Bericht meiner Begegnung mit Wendell Jaffe und ließ dabei wohlweislich aus, daß ich in sein Hotelzimmer eingebrochen war. Wenn ich mit Bullen spreche, sage ich nicht immer freiwillig alles, was ich weiß. Ich kann eine pflichttreue Bürgerin sein, wenn es mir in den Kram paßt, in diesem Fall jedoch war das nicht so. Außerdem war es mir peinlich, daß ich den Kontakt verloren hatte. Hätte ich meinen Job gut gemacht, so hätte Wendell Jaffe niemals gemerkt, daß ihm jemand auf den Fersen war. Ich sagte: »An wen soll ich mich wenden? Ich dachte, ich sollte vielleicht jemanden unterrichten, am besten wohl den Beamten, der damals den Fall bearbeitet hat.«
I»Das war Lieutenant Brown, aber der ist inzwischen nicht mehr da. Er ist letztes Jahr in den Ruhestand gegangen. Du solltest dich vielleicht am besten mit Lieutenant Whiteside vom Betrugsdezernat unterhalten. Ich kann dich mit ihm verbinden, wenn du möchtest. Dieser Jaffe war wirklich ein übler Bursche. Ein Nachbar von mir hat seinetwegen zehntausend Dollar verloren, und das war eine Lappalie im Vergleich mit anderen.«
»Ja, das hörte ich. Konnten die Leute denn nicht irgendwie ihr Geld zurückbekommen?«
»Man hat seinen Partner eingelocht. Als der Schwindel aufflog, haben natürlich alle Anleger Klage erhoben. Da man die Klage nicht zustellen konnte, haben sie Vorladung und Klage schließlich veröffentlicht und sein Nichterscheinen hingenommen. Natürlich erwirkten sie ein Urteil, aber es gab nichts zu holen. Seine Bankkonten hatte er alle abgeräumt, ehe er verschwand.«
»Ja, das habe ich gehört. So ein Schwein.«
»Das kann man wohl sagen. Außerdem war sein Haus bis unter das Dach mit Hypotheken
Weitere Kostenlose Bücher