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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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mit einem Anflug von Bitterkeit. Danach wurde es ein Weilchen still, bis er voll Unbehagen den Kopf drehte. »Glauben Sie, es war falsch von mir zurückzukommen?«
    »Das kommt darauf an, was Sie damit zu erreichen hofften.«
    »Ich möchte ihnen helfen.«
    »Helfen wobei? Brian hat bereits eine bestimmte Richtung eingeschlagen und Michael ebenfalls. Dana hat sich durchgebracht, so gut es ging, und das Geld ist ausgegeben. Sie können nicht einfach wieder in ein Leben zurückkehren, aus dem Sie ausgestiegen sind, und den Ausgang der Geschichten ändern. Ihre Frau und Ihre Kinder verarbeiten die Konsequenzen Ihrer Entscheidung. Und das müssen Sie selbst auch tun.«
    »Ja, ich kann wohl nicht erwarten, daß ich alles innerhalb von ein paar Tagen wiedergutmachen kann.«
    »Ich bin nicht sicher, ob Sie es überhaupt können«, entgegnete ich. »Fürs erste werde ich Sie jedenfalls nicht aus den Augen lassen. Sie sind mir einmal entwischt. Das wird nicht noch einmal passieren.«
    »Ich brauche etwas Zeit. Ich habe einiges zu ordnen.«
    »Sie hatten schon vor fünf Jahren einiges zu ordnen.«
    »Dies hier ist etwas anderes.«
    »Wo ist Brian?«
    »Er ist in Sicherheit.«
    »Ich habe nicht gefragt, wie es um ihn bestellt ist. Ich habe gefragt, wo er ist.« Der Wagen begann zu stottern und wurde langsam. Ich blickte verdattert nach unten und trat mehrmals schnell hintereinander das Gaspedal durch. Aber der Wagen Wurde immer langsamer. »Herrgott noch mal, was ist denn das?«
    »Haben Sie kein Benzin mehr?«
    »Ich habe gerade erst getankt.« Ich lenkte den Wagen, der schon fast stand, an den Bordstein.
    Er sah aufs Armaturenbrett. »Die Tankuhr steht auf >voll<.«
    »Das hab’ ich Ihnen doch gesagt. Ich habe eben erst getankt.«
    Wir standen. Es war totenstill, dann nahm ich das Brausen des Windes und der Brandung wahr. Obwohl der Mond von Wolken verdunkelt war, konnte ich die Schaumkronen auf dem Wasser erkennen.
    Ich holte meine Handtasche vom Rücksitz und kramte die kleine Taschenlampe heraus. »Schauen wir mal, was los ist«, sagte ich so forsch, als verstünde ich was von Autos.
    Ich stieg aus. Jaffe stieg auf seiner Seite aus und ging mit mir zusammen um den Wagen herum nach hinten. Ich war froh, daß er da war. Vielleicht verstand er mehr von Autos als ich — kein Kunststück. Ich machte hinten auf und beäugte angestrengt den Motor. Er sah aus wie immer, in Form und Größe einer Nähmaschine ähnlich. Ich erwartete lose Teile, lockere Schrauben, einen abgerissenen Treibriemen. »Was meinen Sie?«
    Er nahm die Taschenlampe und neigte sich mit zusammengekniffenen Augen näher. Jungen kennen sich mit solchen Sachen aus: Kanonen, Autos, Rasenmäher, Müllschlucker, Lichtschalter, Baseballstatistiken. Ich neigte mich mit ihm über den Motor.
    »Schaut ein bißchen aus wie eine Nähmaschine, nicht?« meinte er.
    Hinter uns krachte eine Fehlzündung, und ein Stein knallte gegen den hinteren Kotflügel des VW. Jaffe begriff einen Wimpernschlag schneller als ich. Wir warfen uns beide zu Boden. Jaffe packte mich, und gemeinsam robbten wir auf die Seite des Wagens. Ein zweiter Schuß fiel, und die Kugel prallte klirrend vom Wagendach ab. Wir hockten dicht nebeneinander. Jaffe hatte beschützerisch seinen Arm um mich gelegt. Er knipste die Taschenlampe aus. Nun war es stockdunkel. Ein schreckliches Verlangen bemächtigte sich meiner, mich auf Fensterhöhe hochzuschrauben und auf die andere Straßenseite hinüberzuspähen. Ich wußte, daß es nicht viel zu sehen geben würde: Finsternis, eine Böschung, vorübersausende Autos auf dem Freeway. Der Schütze mußte uns von Michaels Haus aus gefolgt sein, nachdem er zuerst Jaffes und dann meinen Wagen außer Betrieb gesetzt hatte. »Das kann nur einer von Ihren Freunden sein. Ich bin in meiner Clique nicht so unbeliebt«, sagte ich.
    Wieder krachte ein Schuß. Das Rückfenster des VW zersprang, aber nur ein kleines Stück fiel heraus.
    »Herr Jesus«, sagte Jaffe.
    »Amen«, antwortete ich.
    Er sah mich an. Seine frühere Lethargie war wie weggeblasen. Wenigstens hatte die Situation ihn aufgeweckt. »Ich werde schon seit einigen Tagen verfolgt.«
    »Und? Haben Sie eine Theorie?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe ein paar Leute angerufen. Ich brauchte Hilfe.«
    »Wer hat gewußt, daß Sie zu Michael wollten?«
    »Nur Renata.«
    Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. Ich hatte Renata ihre Kanone abgenommen, die, wie mir jetzt einfiel, in meiner Handtasche steckte. Im Auto.

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